Zoonosen – Die Gremlins sind unter uns
Wie in süßen Tieren gefährliche Monster wachsen
SARS, Schweinegrippe, MERS, Ebola und Covid-19 – Das neue Jahrhundert beginnt mit einem ganzen Strauß an neuen Infektionen, den sogenannten Zoonosen. Für mich beinahe eine Reminisenz an den Hollywood-Klassiker aus den Achtzigern „Die Gremlins“, in dem kleine süße Kuscheltierchen bei nicht artgerechter Haltung zu irrwitzigen Monstern mutieren. Vielleicht ein Blickwinkel, der es uns ermöglicht das ideologisch besetzte Thema mit etwas Humor zu sichten. Doch woher kommen Zoonosen eigentlich? Der Begriff bezeichnete vormals eigentlich nur Tiererkrankungen. Mitte des 19. Jahrhunderts mit der fortschreitenden Industrialisierung, der Entstehung von Ballungsgebieten und dem engeren Zusammenrücken von Mensch und Tier wandelte sich die Bedeutung jedoch zu einer Sammelbezeichnung von Erregern, die die Barriere zwischen Mensch und Tier überwunden haben. Heute sieht das Global Virome Project – ein internationaler Zusammenschluss von Wissenschaftlern – 800.000 Viren, die in der Tierwelt vorkommen, als potenziell übertragbar auf den Menschen an. Klingt zunächst besorgniserregend, aber nicht jeder Virus löst eine ernstzunehmende Krankheit aus. Viren allein sind jedoch nur eine Erregerform, andere Krankheiten werden vom Tier auf den Menschen übertragen durch: Bakterien, Salmonellen, Parasiten, Pilze oder Prionen.
Laut den Angaben der World Organisation for Animal Health, welche von der WTO als Autorität angesehen wird, stammen 75% der neuauftretenden Infektionskrankheiten beim Menschen von Tieren (siehe dazu den Quarks&Co-Artikel unter Quellen).
Gesichert gilt, dass der zuverlässigste Weg für einen Wirtsübergang, also die Übertragung von Tier zu Mensch, der Kontakt mit Blut, Fleisch oder Körperflüssigkeiten ist. So verwundert es nicht, dass der aktuelle Stamm SARS-CoV-2 auf einen Fleischmarkt in Wuhan die Barriere überschritten hat. Eine andere Zoonose des letzten Jahrzehnts zeichnet ein ähnliches Bild. Bei der Ebola-Epidemie in Afrika war der Übertragungsweg von Tier zu Mensch, der Verzehr von Buschfleisch, wovon die WHO darum deutlich abrät.
Auch wenn das behördliche RKI heute eine Übertragung im Falle von Covid-19 durch den Verzehr von Fleisch ausschließt, weist es trotzdem daraufhin, dass übliche Hygienemaßnahmen, wie langes Erhitzen oder Hände waschen beim Umgang mit rohem Fleisch getroffen werden sollten. Ein mulmiges Gefühl verbleibt trotzdem.
Halten wir also fest: Das erste Einfallstor – also der Wirtswechsel von Tier zu Mensch erfolgt in der Regel über Verzehr, Zerlegung, Handel oder einfach das Halten von infizierten Tieren in menschlicher Nähe. Die weitere Ausbreitung als Pandemie kann dann auch über Aerosole, also die Atemluft erfolgen.
Die Grenzen sind fließend
Wie der Fall der infizierten Nerz-Fell-Farmen in Dänemark 2020 zeigt, ist auch der Weg zurück in die Tierwelt nicht unwahrscheinlich. Im November stellen die Veterinäre in den Farmen eine Mutation des SARS-CoV-2 Virus fest. Die dänische Regierung lässt daraufhin 15 Millionen Tiere in den Nerzfarmen des Landes keulen, um nicht aus der Region bei Jütland ein neues Wuhan zu machen. Vorsorglich wurden alle umliegenden Kommunen für 1 Monat zum Quarantänegebiet erklärt und die Tierkadaver entsorgt. Die Angst in Jütland war begründet, stellten Wissenschaftler doch fest, dass die Mutation im Nerz potenziell die Wirksamkeit der gerade entwickelten Impfstoffe für den Menschen in Frage stellen könnten. Für mein Dafürhalten eine weitere Analogie zu den süßen Kuschel-Gremlins.
Aber die Liste der Zoonosen wird von Jahr zu Jahr länger, was sicherlich auch an der wachsenden medizinischen Erkenntnis liegt und dem weiteren Wachstum von Ballungsgebieten. Die globale Mobilität und nicht zu letzt der Fleischkonsum sind aber der von keiner Wissenschaftsdisziplin angezweifelte Treibsatz der Entwicklung.
Und selbst das berühmt berüchtigte HIV-Virus, welches landläufig nur als Erkrankung unter Homosexuellen und anderen Risikogruppen angesehen wird, stellt mit hoher Wahrscheinlichkeit eine ehemalige Zoonose dar, so kommt ein verwandter Stamm des Virus doch in vielen Affenarten Afrikas vor. Sind wir also wieder beim Thema Buschfleisch oder bei der Fiktion „Gremlins“?
Das klingt zunächst – möchte man dem Tenor der Berichterstattung über die Eintragswege Glauben schenken – sehr beruhigend. So wird vor allen Dingen von RKI, WHO und anderen vor dem Verzehr von Wildfleisch gewarnt. Klingt nach einem Phänomen das weit weg ist. Oder sind es wirtschaftliche Interessen, die dieser Aussage geprägt haben? Mit dem Sündenbock „Wildfleisch“ trifft es einen kleinen nicht systemrelevanten Markt, der weit weit weg von industrieller Erzeugung ist.
Aber wieso ist räumliche Nähe unter normalen Gesichtspunkten eine Begünstigung von Infektionskrankheiten? Wenn es aber um den Ursprung einer Pandemie geht, wird das Zusammenpferchen in Tierfabriken immer ausgeklammert.
Ist es so einfach die Menschen glauben zu machen, dass Pandemien nur auf Wildmärkten entstehen? Oder ist da der wirtschaftliche Wunsch der Vater des Gedankens?
Keine Panik für Fleischliebhaber
Nur sehr wenige Erreger sind hitzeresistent, das gilt besonders für Viren, welche über 70° C denauturieren. Für Bakterien müssen wir schon was mehr aufdrehen, diese sind aber spätestens bei 100° C auch inaktiviert. Wer auf Nummer sicher gehen will, sollte weder rohes Fleisch, noch Wurstwaren ohne Erhitzen verzehren. Problematisch wird es besonders wenn rohes Mett konsumiert wird, hier ist die Wahrscheinlichkeit einer Infektion am höchsten. Wenn Sie also Fleisch nicht vermeiden können, gibt es dennoch Möglichkeiten sich zu schützen. Die Covid-19 Aerosole ihrer Mitmenschen – insbesondere, wenn sie über 50 sind, sollten sie aber weiterhin meiden.
Fazit
Zoonosen sind ein spannendes Thema, weil sich in dem wissenschaftlichen Begriff der Blick auf den Ursprung der Infektion eröffnet und was könnte hilfreicher sein, als das Problem an der Wurzel anzufassen?
Wenn man die Sache mit Humor nähme erinnern mich die aktuellen Pandemien wieder an den beliebten Hollywood-Klassiker „Gremlins“ – Harmlos wie das süße Schweinchen auf der Tönnies-Fabrik, aber bösartig, wenn Sie sich mit ihm einlassen. Denken Sie mal drüber nach !
Quellen:
Quarks&Co: Krankheisterreger von Tier zu Mensch
https://www.quarks.de/umwelt/tierwelt/wenn-krankheitserreger-von-tieren-auf-menschen-springen/
Global Virome Project
http://www.globalviromeproject.org/
MDR: Die meisten Pandemien sind menschengemacht
https://www.mdr.de/wissen/umwelt/seuchen-pandemien-zoonosen-immer-mehr-tiere-uebertragen-krankheiten-100.html