FOOD – SO werden wir die Welt nicht retten !
Das wichtigste gleich vorneweg: Das ist eine Empfehlung! Dieses Buch „FOOD“ ist lesenswert. Auch in Englisch, denn in Deutsch gibt es das (noch) nicht. Und wird es wohl auch nicht geben – dagegen stehen zu viele Lobbyinteressen.
Food, auf Deutsch Nahrung, ist das aktuelle Buch von Jennifer Clapp, 3. Auflage polity press, Cambridge UK. Auslöser meines Interesses war die arte-Dokumentation über Gluten und die zunehmenden Unverträglichkeiten.
Eine der Interviewpartnerinnen war Jennifer Clapp, die das aussprach: Der globale Nahrungsmittelmarkt (World Food Economy) wird von wenigen Firmen kontrolliert. Diese werden auch mit ABCD abgekürzt und sind: Archer Daniels Midland , Bunge, Cargill, Louis Dreyfus. Clapp beschreibt in ihrem Buch „Food“ die Entwicklung, Zusammenhänge und Klimafolgen dieser Wirtschaft. Denn eines ist klar: So wie wir Landwirtschaft betreiben, zerstören wir die Grundlage aller und allem. Die industrielle Massentierhaltung ist dabei nur ein Aspekt dieses Handelns.
Ein wichtiges Problem ist die Konzentration der Markmacht in den Händen weniger Firmen, die verhindern, dass sich lokale Nahrungsmittelproduktionen durchsetzen können, ökologische Interessen im Vordergrund stehen und die Erzeuger faire Preise erhalten. – Aber der Reihe nach….
Prof. Jennifer Clapp, Ökonomin
Jennifer Clapp ist Ökonomin und Professorin an der University of Waterloo, Canada. Ihr Forschungsgebiet ist die „global food security and sustainability“ (Deutsch: Nahrungsmittelsicherheit und Nachhaltigkeit), also nicht irgendwas, sondern die Essenz unseres Lebens betreffend. Ihren Lebenslauf kann man bei ihrer Uni einsehen und auch ihre Publikationsliste. Außer dem Buch FOOD, hat sie
- Hunger in the Balance: The New Politics of International Food Aid,
- Toxic Exports: The Transfer of Hazardous Wastes from Rich to Poor Countries,
- Adjustment and Agriculture in Africa: Farmers, the State, and the World Bank in Guinea publiziert.
In vielen weiteren Werken ist sie Co-Autorin. Anhand der Titel ihrer Veröffentlichungen ist klar, dass sie einen interdisziplinären Lehrstuhl mit dem Schwerpunk Wirtschaft betreibt. Seit knapp 30 Jahren publiziert sie Texte und Analysen zu den Themen: Globale Wirtschaftspolitik, globale Steuerung der Landwirtschaft, Nahrungsmittelsicherheit. In der Initiative “Great Transition Innitiative” arbeitet sie an Ideen für eine bessere Welt mit.
Wenn jemand Expertin ist, dann ja wohl sie. Und als Ökonomin sieht sie die Welt aus wirtschaftlicher Sicht und setzt wie kaum jemand anderes das große Geld und unsere Lebensgrundlagen ins Verhältnis.
Den Hunger auf der Welt besiegen
Eines der UN Menschheitsziele ist, den Hunger zu besiegen. Hunger ist aber nicht nur das Fehlen von Lebensmitteln. Clapp beleuchtet auch die globalen Fehlernährungen: Adipositas in den Ländern des globalen Nordens und Nährstoffmangel, Hunger und Vernachlässigung in den Ländern des globalen Südens. Sie zitiert dafür aus den Studien der Food and Agricultural Organization of the United Nations (FAO) und der WHO. Trotz massiver Steigerung der Nahrungsmittelproduktion seit 1945 ist es aber nicht gelungen, den Hunger nur annähernd zu besiegen.
Sie beleuchtet dabei auch die Entfernung / Entfremdung von uns VerbraucherInnen zu den Lebensmitteln und ihrer Erzeugung, die globalen Handelsströme und die Verwandlung von Lebensmitteln in ein Handelsgut gar in eine sogenannte Commodity, mit dem durch Spekulationsgeschäfte viel Geld verdient werden kann. In ihrem Buch kommt sie schon auf den ersten Seiten zum Kern dieses Problems.
Sie seziert die World Food Economy mit dem Skalpell einer Ökonomin
Eines ist diese Buch bestimmt. Unaufgeregt. Und gerade diese Sachlichkeit macht die Dimension der Katastrophe umso erschreckender. In sechs Kapiteln packt die Autorin das Problem aus, beleuchtet es im Einzelnen und geht zum Schluss darauf ein, ob und wie sich was ändern kann.
Ich will an dieser Stelle den Inhalt nicht nacherzählen, denn die Probleme sind extrem vielfältig. Besonders wichtig finde ich aber, wie sie beschreibt, wie sich die Marktmacht einiger weniger Firmen etabliert hat. Diese beherrschen jetzt den globalen Nahrungsmittelmarkt. Dabei lässt sie die Konkurrenz aus Asien und Südamerika aber noch außen vor.
Deswegen nur einige Beispiele, die erschreckend sind in ihren Ausmaßen:
Verlust der Biodiversität betrifft nicht nur Wildorganismen. Auf den Anbauflächen der Welt ist es mindestens genauso schlimm. Die Hälfte der weltweit angebauten Nahrungsmittel sind nur drei Sorten: Weizen, Reis, Mais.
Der Einsatz von Glyphosat ist mit der Einführung genetisch modifizierter Sorten exponentiell angestiegen. Die genetisch modifizierten Nahrungsmittel sind Soja, Mais, Baumwolle, Canola. 91% ihrer Anbauflächen liegen in fünf Ländern: USA, Canada, Argentinien, Brasilien, Indien. Über den (Un)sinn genetisch veränderten Saatguts könnt Ihr hier mehr lesen.
Die Konzentration der Herbizid-/Pestidzidhersteller, die gleichzeitig auch Saatgut vermarkten, konzentriert sich auf nur wenige Firmen. Das führt zu extrem verzerrten Märkten ohne wirklichen Wettbewerb.
Auch in der Finanzierung des Agrarsektors herrscht eine ungesunde Konzentration auf wenige Investmentfirmen: So waren Blackrock, Vanguard, State Street, Capital Group und Fidelity in 2016 zusammen mit über 20% z.B. in DuPont, Dow, Bayer und Monsanto engagiert – jeweils.
Können wir die Katastrophe abwenden?
Betrachtet man die Größe des Problems, wird man schier erdrückt. Der weltweite Umsatz mit konventionellen Nahrungsmitteln betrug 2018 8,7 Trillionen USD und ist damit Tausend Mal so groß, wie der Umsatz mit organischen Nahrungsmitteln (2017: 97 Milliarden USD). Und dieser ist noch zehn Mal größer als fair produzierte (2017: 9,2 Milliarden USD) Lebensmittel.
Führt man sich dann vor Augen, dass in Europa gerade der größte Einzelposten des EU Haushaltes – nämlich die Agrarförderung, GAP – verhandelt wird und hier auch nur Lobbyinteressen eine Rolle spielen möchte man beinahe verzweifeln. Hier sprechen wir über ein sich selbst verstärkendes System, das komplett aus dem Ruder gelaufen ist. Doch es gibt Aktivisten, wie Konstantin Kreiser, die das Problem erkannt haben und für den NABU für eine andere Verteilung der Gelder streiten.
Und wir?? Die Ernährung umstellen?
Barbara Burlingame sagte zu nachhaltiger Ernährung folgendes:
Übersetzung: Nachhaltige Ernährungsstile sind solche mit geringen Umweltauswirkungen, die zur Ernährungssicherheit und zum gesunden Leben heutiger und zukünftiger Generationen beitragen. Nachhaltige Ernährung schützt und respektiert die biologische Vielfalt und die Ökosysteme, ist kulturell akzeptabel, zugänglich, wirtschaftlich fair und erschwinglich; ernährungsphysiologisch angemessen, sicher und gesund; bei gleichzeitiger Optimierung der natürlichen und menschlichen Ressourcen.
Oder weniger wegwerfen: Denn immer noch landet etwa ein Drittel der Nahrungsmittel bei uns KonsumentInnen im Müll! Aber wir VerbraucherInnen sind da nicht alleine. Im Einzelhandel verderben bis zu 40%!
Außer unsere Ernährung zu verändern, also weniger tierische Produkte, dafür mehr Pflanzen basierte, weniger Fertigprodukte mehr frische, sollten wir weiter denken. Nahrungsmittel sollten wieder den Stellenwert erhalten, der ihnen eigentlich zu steht. Keine Commodity (Deutsch: Massengut, Verbrauchsmittel, Ware) sondern LEBENSMITTEL. Natürlich ist auch die Politik gefordert, die Gelder so auszugeben, dass Ökologie im Vordergrund steht und nicht Betriebsgröße. Der Wettbewerb auch global muß fairer werden. LandwirtInnen müssen von ihrer Arbeit leben können und nicht aus Profitmaximierung weniger großer Firmen ihre Lebensgrundlage zerstören.
https://greattransition.org/about/aims-and-background
Das Video, das unter dem obigen link zu finden ist, schliesst mit den Worten, dass eine bewusste und engagierte globale Öffentlichkeit diesen Prozess nicht nur einfordern, sondern auch in Gang bringen kann. Es wird höchste Zeit!