Geschichte über die Entwaldung der Welt
Foto: Dittmar Sauer from Pixabay
Entwaldung, was das für den Klimaschutz von heute bedeutet
Derzeit reden wir über CO2 Äquivalente, Massentierhaltung, Methanausstoß und vieles anderes und über Regenwälder. Den Verlust der Regenwälder korrelieren wir unbewusst mit dem Klimawandel. Doch der hat schon lange vorher begonnen…
Eine kurze Geschichte über die Entwaldung der Welt.
Ich erinnere mich daran, wenn wir früher zum Abendbrot mit unserem Vater zusammen saßen und der die Gelegenheit nutzte, uns Kinder aufzuklären. Darüber, dass der Libanon früher – sehr viel früher – mal bewaldet war und deswegen der Baum in der Flagge seinen Sinn hätte. Wie es dazu gekommen sei, dass die Bäume weg sind, wollten wir wissen. Abgeholzt für Schiffe, antwortete er, die Phönizier.
Robin Hood – ohne Wald
Echt lange her, könnte man denken, doch die Abholzung der Bäume zu wirtschaftlichen Zwecken hat immer schon Konjunktur gehabt. Ob nun in Großbritannien – wer erinnert sich nicht an Robin Hood, der sein Lager im Sherwood Forrest hatte – oder Irland. Vor noch nicht mal 1500 Jahren stark bewaldete Inseln, jetzt kahl. Der Schiffbau sei Schuld gewesen. Wie wohl auch in anderen Gegenden der Welt (1, 2).
Abholzung – die erste Ökokatastrophe überregionalen Ausmaßes
Das ist natürlich nicht ganz zutreffend, denn vorwiegende wurden Wälder gerodet, um Ackerland zu gewinnen oder Brennholz. Wie im Hochmittelalter, das sich in Europa von 800 – 1200 n.Chr. erstreckte. Hier hat sich die Landschaft dramatisch durch die Einflüsse der Menschen verändert. Es wurde Torf abgebaut, dafür Moore trocken gelegt. Wälder zu den unterschiedlichen Zwecken abgeholzt und Heide-Landschaften vielfältigen Veränderungen unterworfen. Die Entwaldung im Mittelalter war enorm. Zum Glück waren große Landwirtschaftliche Maschinen noch nicht erfunden…..
Die Globalisierung der Waldvernichtung
Durch das Abholzen der Bäume, die Verwendung der Stämme zum Schiffbau, wurden weiter entfernt gelegene Gebiete erreichbar. Die für mich (aus eigener Anschauung) größte ökologische Katastrophe allerdings ereignete sich Down-under. In Australien und Neuseeland. Gerade hier wurde systematisch der Ur-Wald nicht nur gefällt, sondern abgebrannt, um einer Weidelandschaft für Schafe Platz zu machen wie in Neuseeland (kann man sehen in Wellington, TePapa Museum), (3,4, 5). Oder wie in Australien den Zuckerrohranbau zu ermöglichen (6).
Doch auch in Nordamerika wurde geholzt wie blöde ohne die Konsequenzen zu bedenken. Erste Begegnungen mit Baumbesetzern machte ich 1989 in Californien, wo ich in den Redwoods sogenannte Baumbesetzer antraf, die verhindern wollten, dass weitere Baumriesen zu Sägemehl verarbeitet würden (7).
Einen wesentlichen Anteil der Waldvernichtung trägt dabei übrigens die Auswanderung in die USA im vorvergangenen Jahrhundert.
White Pine und die Entstehung der Mietskasernen um die Jahrhundertwende
Es war der Besuch bei den Verwandten in Michigan 2019, der mir die Augen öffnete. Wir durchkreuzten den Staat und besuchten eine alte Kultstätte der Indianer, die durch ein Feuer freigelegt worden war. Die Rangers erläuterten uns, wie die Vegetation früher ausgesehen hatte – White Pine – überall. Das gesamte Gebiet der großen Seen und drum herum war mit einem einzigartigem Wald aus White Pine bedeckt.
White Pine war mir zuvor schon mal begegnet, nämlich als ich überlegte, wie die schadhaften Bodendielen in meiner Studentenbude auszutauschen wären. Man sagte mir damals, ich solle es vergessen, denn es wäre White Pine, das heute so teuer sei, dass ich es mir nicht leisten könne.
Im Indianerreservat in Michigan erleuchtete mich also die Erkenntnis um eine andere Welle der Entwaldung. Europäische Auswanderer arbeiteten in Nordamerika, entweder als Holzfäller, in Sägewerken oder auf den Äckern. Sie fällten White Pine und verarbeiten sie, um sie als Baumaerial in die alte Welt zu exportieren. Dort wurden damit die Mietskasernen der Jahrhundertwende hochgezogen. Schon eine schräge Vorstellung, dass dieser majestätische Wald dann in Berlin, Hamburg oder Frankfurt stand – und dann nur ein halbes Jahrhundert später von den alliierten Bombern ein weiteres Mal vernichtet wurde.
Und jetzt der Regenwald …
Die Waldrodungen in den Regenwäldern, die uns jetzt als Befeuerung des Klimawandels vorkommen, folgen also einem alten Muster. Ein Gemeingut wird privatisiert und ausgebeutet. Rücksichtslos. Ureinwohner und Tiere haben keine Chance gegen den wütenden Kapitalismus. Wir protestieren gegen Nestlé und für den Lebensraum der Orang-Utans und sehen gleichzeitig fassungslos zu, wie im Amazonas die nächste Öko-Katastrophe ihren Lauf nimmt. Denn verzichten will keiner…
Was kommt, wenn der Wald weg ist
Wir brauchen keine Propheten zu sein, um zu sehen, was auf uns zu kommt: Die Münchner Rück – eine Versicherung von „Unwettern“ beschreibt allein das Jahr 2020 als eine mit den größten Wetterkatastrophen (8). Auch Pandemien und Überflutungen dürfen wir weiter erwarten, beides in gigantischem Ausmaß. Erste Vorgeschmäcker gab es bereits im späten Mittelalter, nach der ersten „großen Waldvernichtung“. Zunächst die Pest, die in den Jahren 1346-1353 Europa heimsuchte, es starben in diesen Jahren schätzungsweise 25 Millionen Menschen. Und dann die Marcellus Flut. 1362 starben in Norddeutschland in der Januar Sturmflut Zehntausende von Menschen.
Corona als Pandemie wird sich dagegen ausmachen wie eine unwichtige Episode. Jetzt schon ist der Meeresspiegel deutlich gestiegen, Küstenschutz und Szenarien zur Eindämmung kommender Fluten liegen den Behörden vor. Doch das wird nicht reichen. Wir müssen umdenken, vollbremsen – vollständige Schubumkehr!
Wald, die Lösung für die Welt von morgen?
Aufforsten ist eine der wichtigsten Maßnahmen zur Eindämmung des Klimawandels. Denn Bäume binden nicht nur CO2, sie sorgen auch lokal für Abkühlung. Wir brauchen die Wälder, um zu überleben. Und dafür sollten wir sofort damit aufhören, sie zu fällen z.B. den Hambacher- oder Danneröder-Forst. Wälder sind ein Reservoir für Artenvielfalt. Und auch Stadtbäume, Alleen und Friedhöfe sind Biotope, die das Mikroklima schützen. Wir brauchen Landschaften, die vielfältig sind und Lebensräume für alle unsere Mitgeschöpfe bieten. Ein Wald, der nur ökonomischen Interessen dient, ist keine Hilfe. Auch nicht der Verkauf an ausländische Investoren (9).
Dass die UN jetzt vorschlägt bis 2030 mindestens 30% der Erde unter Naturschutz zu stellen ist ein gutes Signal (10). Wir können ja schon mal anfangen, Bäume zu pflanzen.
Links / Referenzen
(1) https://www.wsl.ch/staff/niklaus.zimmermann/papers/QuatSciRev_Kaplan_2009.pdf
(2) https://www.tonymappedit.com/deforestation-map-of-europe-animated/
(3) https://www.faz.net/aktuell/wissen/erde-klima/neuseeland-oekofrevel-im-auenland-16744377.html
(4) https://decolonialatlas.wordpress.com/2015/01/27/the-deforestation-and-colonization-of-aotearoa/
(5) https://digitalnz.org/stories/5b19a05ffb002c36a2c014e6
(6) https://www.qff.org.au/farming-in-xx-qld/cane/
Weiterführende Links
Entwaldung (im Spätmittelalter)
https://www.planet-schule.de/wissenspool/lebensraeume-mensch-und-wald/inhalt/hintergrund/waldgeschichte/mittelalter-und-beginnende-neuzeit-aera-der-waldvernichtungen.html
https://de.wikipedia.org/wiki/Geschichte_des_Waldes_in_Mitteleuropa
https://wiki.bildungsserver.de/klimawandel/index.php/Mittelalterliche_Warmzeit
Entwaldung
https://www.britannica.com/science/deforestation
https://nomoreplanet.com/history-of-deforestation/
https://www.historytoday.com/archive/history-deforestation
https://nhpbs.org/wild/karnerwhitepine.asp
https://www.fs.fed.us/rm/pubs/rmrs_gtr035.pdf
Baumbesetzungen
https://www.globalwitness.org/en/campaigns/forests/
https://earthwatch.org/stories/save-forest-trees?gclid=CjwKCAiA8ov_BRAoEiwAOZogwY_65-wkdRMKuaJ1W9ONVCuV-qK94ej0DN6o-by41ug50mXTsiSDGhoCH44QAvD_BwE
Sturmfluten, Küstenschutz
https://www.welt.de/wissenschaft/gallery13814020/Die-Grote-Mandraenke-von-1362.html
https://www.ndr.de/geschichte/chronologie/1219-Marcellusflut-kostet-Tausende-das-Leben,marcellusflut100.html
https://www.hkc-online.de/Downloads/HKC-Kongress%202020/08%20HKC-Kongress_J.%20Jensen_Klimawandel%20Sturmfluten.pdf
http://www.kuestenarchaeologie.de/forschung/nordfriesland.html