Natürlicher Klimaschutz – Urban Green oder Klimaanpassung auf Chinesisch
Die Zukunft wird im Osten gemacht. In China wohlgemerkt, das seine Politik nicht in 4-Jahres-Legislaturen nach neuen Ideen ausrichtet, sondern plant, lange plant. Anhand meines Besuches im Shanghai Expo Culture Park (Ostern 2025) möchte ich Euch einige wesentliche Punkte des Natürlichen Klimaschutzes in der Stadtentwicklung erläutern.
Shanghai das Schaufenster Chinas – ein kurzer Exkurs in die jüngere Vergangenheit
Shanghai ist sicherlich die untypischste chinesische Stadt und seit Langem vom Handel geprägt. Nach dem Ende der Mao Aera wurde Shanghai zu einer Art Versuchsfeld für alle möglichen Ideen. Gleichzeitig sollte hier sichtbar werden, auf was das restliche China hoffen konnte: Wohlstand für alle. Dafür mußten alte Wohnquartiere weichen und Platz machen für Hochhäuser, Bürokomplexe, die Metro und Shopping Malls sowie Straßen. Sukzessive wurden auch dreckige Industriestandorte, wie ZB der Kohlehafen oder das Stahlwerk von ThyssenKrupp zurück gebaut und an anderer Stelle neu errichtet, modern natürlich. In der Folge verbesserte sich in Shanghai die Luftqualität erheblich. Doch die dichte Besiedlung mit 7226 Einwohner /km2 hat Folgen. Die Menschen brauchen nicht nur Platz zum Wohnen und Shoppen, sie brauchen auch so etwas wie Natur.
Grün und Freizeit zusammen gedacht
Parks sind seit jeher in Shanghai ein wichtiger Raum für die Menschen um zusammen zu kommen, zu tanzen, Kalligraphie zu schreiben oder einfach Mahjong oder Karten zu spielen. Bekannte Parks sind zB der Renmin Guan Chang auf der Puxi Seite oder der Century Park in Pudong. Letzterer ist dem Central Park in New York nachempfunden und vergleichsweise groß. Bekannte Reiseführer listen die besten Parks in Shanghai auf. Doch alle diese Parks können über eines nicht hinweg täuschen: Shanghai ist hoch verdichtet, gemessen an der Anzahl von Gebäuden ist der Grün-Anteil sehr gering und Ausgleichsflächen, die für so etwas wie eine Schwammstadt herhalten können, kaum vorhanden. Dass wir auf der Welt eine Klimakrise haben, ist auch in China bekannt. Diskutiert wird es allerdings weniger auf der Straße als in den Komitees, die Maßnahmen entwickeln, prüfen und umsetzen. Und eine davon war offenbar die Expo in Shanghai 2010.

Shanghai Expo und das Gelände
Dass die Expo nach Shanghai kommen würde, war schon vor meinem ersten Besuch in dieser Stadt 2005 bekannt. Wir fuhren damals über die „elevated road“ von Flughafen kommend in Richtung des Huang Pu Flusses, als mein Schwager nach links zeigte, wo noch eine riesige Halle stand mit dem Logo von Thyssen Krupp. Das war das schon leergezogene Kaltwalzwerk des Konzerns. Das komme alles weg, waren seine Worte. Die Bauarbeiten auf der rechten Seite der Hochstraße hatten bereits begonnen. So viel war zu diesem Zeitpunkt klar: Das Expo Gelände wird gigantisch, es wird breite Alleen geben und verschattete Wege. Der China Pavillon würde der größte, weitere große Veranstaltungsgebäude würden bleiben, die Länder Pavillons wären nur temporär. Dabei waren die Kosten, die die Stadt dafür stemmte, enorm: 45 Milliarden USD, so sagt es die KI in meiner google Suchanfrage, mindestens.
Eine Metro-Linie wurde gebaut, um mit ihrer Station die Mitte der Expo anzuschließen. Als die Expo 2010 endete, begann der sukzessive Umbau des Geländes. Dabei wurde nun rechts der Hochstraße ein Geschäftsviertel errichtet und links ein „Garten“.


Shanghai Stadtentwicklungs-“Museum“
Um zu sehen, wie die Pläne Chinas mit Shanghai sind, ist das Stadtentwicklungs-Museum am Ren Min Guang Chang (Peoples Square) ein Must-see. Wobei Museum der falsche Begriff ist, es ist eine Ausstellung. Und Ausstellungen verändern sich. Bei meinem Besuch 2023 sahen die „Ausstellungen“ also ganz anders aus als damals 2005. Jetzt lag der Fokus auf der Errichtung einer klimagerechten Stadt.


Shanghais Masterplan zur Klimaanpassung
Natürlich hat die Shanghaier Regierung mehr zu bieten als natürlichen Klimaschutz, doch das würde hier den Rahmen sprengen. Do so viel. Um die Frischluft Versorgung der Stadt zu gewährleisten ist ein Green Belt um die Stadt herum geplant. Dieser besteht aus 32 Parks, 17 ökologischen Zonen die ca 100.000 Ha umlaufendes grünes Band bilden. Davon sind bis heute etwa 2/3 fertiggestellt.

Weiter sind große Parks geplant wie die og und dann noch kleinere sowie sogenannte Pocket Parks. Während den kleineren Parks eher die Aufgabe zufällt, eine Erholungsoase in der Nachbarschaft zu sein, haben die größeren andere Aufgaben. Nämlich solche, die wir unter den Themen Schwammstadt verorten, Biodiversitätserhalt und ja Klimaanlage. Doch wir wären nicht in China, wenn nicht auch hier mehrdimensional gedacht würde. Denn diese Parks sind nicht irgendwo angelegt, sondern verfügen über Parkplätze, Kulturstätten und Freizeitangebote. Derzeit besonders angesagt in China ist „Zelten“.
Shanghai Expo Culture Park
Hier zeigt sich nun, was man mit langfristiger Planung und zugegebenermaßen viel Geld in einem Zeitraum von 20 Jahren machen kann. Auf der Fahrt vom Flughafen nach Shanghai sah ich nun die Grünfläche, die da linksseitig entstanden ist. Dieser Park ist schon vor 1,5 Jahren eingeweiht worden und mein Ausflugsziel Nummer Eins für diesen Besuch.







Was wir von Shanghai lernen können
Klimaschutz und Klimaanpassung sind sogenannte Langläuferprojekte, die sich nicht in einer Legislatur stemmen lassen. Es muß in den westlichen Demokratien Konsens und eine verpflichtende Einigung darüber erlangt werde, dass Klimaschutzprojekte nicht beliebig an- und abgeschaltet werden können. Einmal verabschiedet , müssen Gelder und Kapazitäten langfristig verfügbar sein. Die Entstehung des Nature Restoration Law in Europa ist dafür ein Negativ-Beispiel.
Es wird teuer. Ja, und Nichtstun wird noch viel teurerer siehe hier. Da wir jetzt ja mit dem Sondervermögen die Scheu vorm Schulden machen abgelegt haben, sollten wir überlegen, welche Klimaschutzprojekte sich sinnvoll fördern lassen. Und wir sollten es tun.
Klotzen statt kleckern: Wenn es um die (sinnvollen) Ausgaben zum Klimaschutz geht, darf hier nicht mit der Gießkanne gegossen werden. Es muß ein konstanter Fluß von relativ viel Geld sicher gestellt werden, um die Maßnahmen nicht nur durch zuführen, sondern auch zu erhalten. Gerade beim naturbasierten Klimaschutz sind in den Anfangsjahren hohe Instandhaltungskosten zu veranschlagen.
Planung ist gut, Handeln ist besser. In Shanghai zeigt sich, dass mit einem groben Konzept gestartet wurde und auch während der Expo 2010 noch nicht im Detail geklärt war, was mit dem Gelände anschließend passieren sollte. Ein derartiges Vorgehen ist gerade in Situationen mit unübersichtlicher Gemengelage wie zB der Klimakrise sehr sinnvoll. Ein schneller Start erhöht die Chancen auf ein glückliches Gelingen und während des Projektes wird feinjustiert, oder das Projekt den sich verändernden Rahmenbedingungen angepaßt. Aufgeben allerdings ist keine Option.
Klimaanpassung ist schön! Ich bin so geflasht von diesem so umsichtig angelegten Garten, der Biodiversität, verschiedene Ökosysteme, klassische chinesische Gärten, Wasserfälle, begehbare Aussichtspunkte und große Wiesen miteinander vereint. Dabei kommen alle BesucherInnen auf ihre Kosten: an den gut erreichbaren Highlights sind Fotopunkte angelegt, die ausreichend Platz auch für viele Leute bieten.
Der Eintritt ist kostenlos, spezielle Highlights sind kostenpflichtig. Das finde ich total sinnvoll, denn den Garten habe ich als sauber und einladend erlebt: mit vielen Sitzgelegenheiten und gut erreichbaren, sauberen Toiletten. Mit den Highlights läßt sich diese Infrastruktur gut querfinanzieren.
Kultur im Park: wie geil ist das denn? Nun kommt den wenigen übrig gebliebenen Expo-Pavillons ein besonderer Status zu. Sie dienen als kulturelle Kristallisationspunkte, wie zB der Französische mit dem Rodin Museum. Aber auch neue „Häuser“, wie die Shanghai Grand Opera wurden integriert.
„Betreten verboten!“ Gut so finde ich, denn wir Menschen müssen unsere Füße nicht überall hin setzten. Die sorgfältig angelegten Biotope müssen nicht durch spielende Kinder verwüstet , die Feuchtwiesen mit einer beginnenden Insektenpopulation nicht für nächtliche Jogger beleuchtet werden. Nur, wenn wir auch die neu angelegte Natur in Ruhe lassen, kann sie für uns tätig werden.
Klimaschutz schafft Arbeitsplätze! Yeah! Ich zähle mal nur die auf, die ich bei meinem Besuch im Garten gesehen habe. Die ShuttelbusfahrerInnen, die für milde 150 Yuan Besucherinnen in dem Park herumfahren, die Toilettenbediensteten, die EisverkäuferInnen, die Sicherheitsleute und TicketverkäuferInnen, die TourGuides und natürlich die Gärtnerinnen. Klimaschutz ist ein Konjunkturprogramm und bringt vor allem viele ungelernte Leute in Lohn und Brot.