Intakte Böden gegen den Klimawandel
Foto: Dreamstime Lizenz
Oder warum die Agrar-Industrie den Planeten zerstört
Ein Interview von Bernward Geier (Journalist und 18 Jahre Direktor von IFOAM)
Klaus Töpfer war Deutschlands bekanntester Umweltminister, Direktor des Umweltprogramms der Vereinten Nationen (UNEP), Gründer und Direktor des IASS. Der Grand Seigneur der deutschen und internationalen Umweltpolitik spricht Tacheles zum Thema Boden und bekennt sich mehr denn je zum biologischen Landbau.
Wie kam es, dass Sie sich als Umweltminister der CDU schon in den 80er Jahren so klar für den biologischen Landbau aussprachen?
Es wurde mir bereits damals sehr deutlich, dass sich eine leistungsfähige Alternative zur konventionellen Landwirtschaft entwickeln sollte. Die Inanspruchnahme der Natur etwa in der Intensität der Bodenbewirtschaftung und der Einsatz der vielen Pflanzenschutzmitteln haben zu dieser Überlegung beigetragen. Insbesondere haben mir die Landschaft und Vielfalt zerstörenden Auswirkungen der Flurbereinigungen dafür die Augen geöffnet
Warum haben sie unter den vielen globalen Krisen einen Fokus auf den Boden ?
Die Auswirkungen der Bodenkrise sind leider in der Gesellschaft und vor allem in der Politik und Wirtschaft deutlich unterschätzt – der Boden wird in seiner ökonomischen und ökologischen Bedeutung vernachlässigt. Dies zu ändern, gilt mein Engagement. Wenn wir sehen, wie viele Milliarden Tonnen fruchtbarer Böden wir jährlich durch Erosion weltweit verlieren, muss man von einer Katastrophe reden. Dazu kommen ja noch gravierende Probleme der Kontamination durch Schwermetalle, (Agrar)Chemikalien und Kunstdünger, was auch schwerwiegendste Auswirkungen auf den Wasserhaushalt hat.
Reicht die Gesetzgebung zum Bodenschutz in Deutschland aus?
Es ist sehr gut, dass wir überhaupt ein Bodenschutzgesetz haben, was leider weltweit nicht der Fall ist. Allerdings müssen wir unsere Gesetze weiter entwickeln und etwa den Landverbrauch rigoros einschränken sowie weitere Kontaminationen vermeiden. Noch wichtiger ist, dass man die Gesetze viel konsequenter umsetzt.
Und wie sieht es international aus ?
Das Thema ist ein natürlich ein globales. Leider ist in der EU mit dem Scheitern des vorgeschlagenen Bodenschutzgesetzes das Thema Boden weitgehend von der Tagesordnung verschwunden. Allein in Deutschland importieren wir Lebensmittel und Rohstoffe für die Ernährung in einer Flächendimension bis zu 60 Millionen Hektar.
Was ist daran so schlimm?
Ein konkretes Beispiel sind die Futtermittelimporte aus Südamerika. Dafür werden dort große Flächen benötigt mit zum Teil erheblichen Eingriffen in den Naturhaushalt. Auch die unsägliche Entwicklung des Landgrabbing muss erwähnt werden. Diese friedensgefährdenden Entwicklungen kann man nicht allein durch Verändern des Konsumverhaltens lösen, sondern hier braucht es gesetzliche Rahmenbedingungen, die einen ökologisch sinnvollen Umgang mit den Böden fördern.
Inwiefern ist biologischer Landbau Teil der Lösung der Bodenkatastrophe?
Ohne konsequente Ausweitung des biologischen Landbaus werden wir in Sachen Bodenschutz nicht wirklich vorankommen. Eine industrialisierte Landwirtschaft hat in den sogenannten Entwicklungsländern erhebliche negative Auswirkungen auf Sozialstruktur und Arbeitsplätze. Eine zentrale Rolle hat die biologische Landwirtschaft schon allein deshalb weil sie zeigt bzw. beweist, dass man den Boden nachhaltig nutzen kann, ohne ihn auszunutzen oder gar zu zerstören. Mit den verschiedenen Maßnahmen allen voran die vielfältigen Fruchtfolgen und der organischen Düngung mit Kompost kann die Bodenfruchtbarkeit sogar gesteigert werden. Im Übrigen kommt dem biologischen Landbau auch für die Erhaltung der Biodiversität und der Bewältigung der Klimakatastrophe eine entscheidende Rolle zu.
Für KlausTöpfer ist Ruhestand keine Lebensperspektive. Er ist ein früher Förderer des biologischen Landbaus und hat sich dabei vor allem mit seinen internationalen Aktivitäten große Verdienste erworben. Dafür erhielt er zu Recht zahlreiche internationale Auszeichnungen. Darunter auch den BAUM Umweltpreis, den deutschen nachhaltigkeitspreis sowie den One World „VIP“ (Very Impacting Persons) Award der weltweiten Biobewegung und des Bio-Pioniers Rapunzel.
Ergänzung der Redaktion:
Leider werden die Böden immer noch als beliebiges Habitat für Pflanzen, Agrochemie und intensive Bearbeitung gesehen. Zunehmend degradierende Böden sind im Wirtschaftsmodell der Pflanzenschutz- und Saatgut Konzerne verständlicherweise nicht zwingend ein Mangel, sondern eher eine geschäftliche Chance.
Das Problem der katastrophal vernachlässigten Böden ist jedoch auch der Europäischen Umweltagentur bestens bekannt, betrachtet man ihre Prognosen sieht es nicht unbedingt gut aus. Insbesondere, da die europäischen Böden eine immense Klima-regulierrende Funktion darstellen und wesentlich als CO2-Senke fungieren könnten, wenn sie intakt wären.
Mehr Informationen:
Die Europäische Umweltagentur bringt es auf den Punkt:
Der Boden ist ein wichtiges — und oft vernachlässigtes — Element im Klimasystem. Er ist nach den Ozeanen der zweitgrößte Kohlenstoffspeicher oder die zweitgrößte „Senke“. In Abhängigkeit von der Region kann der Klimawandel dazu führen, dass mehr Kohlenstoff in Pflanzen und dem Boden gespeichert wird (aufgrund von Pflanzenwuchs) oder, dass mehr Kohlenstoff in die Atmosphäre freigesetzt wird. Die Wiederherstellung von bedeutenden Ökosystemen auf dem Land und eine nachhaltige Flächennutzung in städtischen und ländlichen Gebieten können helfen, den Klimawandel abzuschwächen und uns an ihn anzupassen.
Europäische Umweltagentur
Der ganze Artikel der EEA:
https://www.eea.europa.eu/de/signale/signale-2015/artikel/boden-und-klimawandel
Bernward Geier
war 18 Jahre lang Direktor des Welt-Bio-Verbands IFOAM – Organics International. Er ist seit 35 Jahren aktiv im Bereich Landwirtschafts- und Umweltpolitik unterwegs, Mitglied bei Bündnis 90 / Die Grünen und ein hervorragender Netzwerker.
Auf internationaler Bühne hat er mit UNO, FAO, UNEP, WTO und OECD zusammengearbeitet. In der Mediathek der Deutschen Welle ist die Dokumentation „Sikkim – Die Öko-Rebellen vom Himalaya“ weiterhin verfügbar: (https://www.dw.com/de/die-%C3%B6ko-rebellen-vom-himalaya/av-49661118) hat Bernward Geier Vor und Hinter der Kamera mitgewirkt. Gezeigt wird der erste 100% Bio Staat der Welt, der die Transformation zu Organic Farming geschafft hat, die Erträge gesteigert und zum erfolgreichen Modell für den Planeten geworden ist.