Die Hidden Champions in Brasilien
Brasilien zählt in der Corona-Pandemie zu einem der am stärksten betroffenen Ländern der Welt. Die Frauenbewegung „Grupo Mulheres do Brasil“, mit 82.000 Akteurinnen weltweit, schafft Veränderung und Abhilfe. Brasiliens erfolgreichste Unternehmerin Luiza Helena Trajano, steht dahinter als Hidden Champion: Milliardärin auf der Forbes Liste, eine Frau mit Herz und charismatischer Ausstrahlung. Sie packt schwierige Themen tatkräftig an und kann sich dabei auf ihr Netzwerk verlassen. Alle zusammen sind sie die bessere Hälfte Brasiliens.
Eine prägende Begegnung
Vor genau einem Jahr, im März 2020 Luiza Helena Trajano und ihre Delegation mit dem Privatjet aus Brasilien nach Düsseldorf kamen, blieb das von der Öffentlichkeit nahezu unbemerkt. Weder die Öffentlich-rechtlichen noch die Tageszeitungen nahmen Notiz davon. Trajano verband die feierliche Gründung des deutschen Ablegers ihres Frauennetzwerks „Grupo Mulheres do Brasil“ in Düsseldorf mit einem Besuch auf der EuroShop20.
Frauenaktivistin auf der Forbes-Liste
Mag sie hierzulande noch wenig bekannt sein, ist Luiza Helena Trajano, die von allen nur Luiza genannt wird, in ihrer Heimat Brasilien, aber auch auf internationalem Parkett wie dem Weltwirtschaftsgipfel, eine Riesennummer. Sie ist Ende 60, voller Elan, Familienmensch, verwitwet, ausgebildete Juristin und die Unternehmerin, die die brasilienweite Kette Magazine Luiza mit Haushaltswaren innerhalb kürzester Zeit zum wichtigsten und beliebtesten Unternehmen des Landes gemacht hat. Seit Dezember 2015 ist der Wert ihrer Aktien um 20.000 % gestiegen. Wirtschaftswissenschaftler aus aller Welt erforschen ihr Erfolgsmodell. Das Handelsblatt widmete ihr eine Geschichte unter der Headline: „Wie Luiza Trajano in der tiefen Provinz Brasiliens Börsenstar wurde“. (https://www.handelsblatt.com/unternehmen/mittelstand/familienunternehmer/magazine-luiza-wie-luiza-trajano-in-der-tiefen-provinz-brasiliens-einen-boersenstar-formte/24528526.html?ticket=ST-12024012-mrKmtqndx7xR0nxNDJoU-ap5 )
Die Grupo Mulheres do Brasil stellt sich vor
Zwischen Vorzeigemanagerin und „Heiliger“
Als ich mich mit dem Südamerika-Korrespondenten für das Handelsblatt und die NZZ @Alexander Busch, austauschte, bestätigte er mir, dass Luiza eine faszinierend integre Persönlichkeit sei. Ein brasilianischer Kollege, der in Deutschland lebt, sagte am Telefon: „Luiza ist einfach wunderbar. Eine Heilige für uns“. Für die Menschen in einem Land wie Brasilien, das mit vielen Herausforderungen zu kämpfen hat, sind Lichtgestalten wie Luiza eine Orientierung.
(Lest auch unseren Beitrag: https://wurstend.net/magazin/klima/amazonas-in-den-schweinetroegen-europas/).
Eine beeindruckende Persönlichkeit
Wenn man wie ich das Glück hat, sie kennenlernen zu können, ist man einfach begeistert. Luiza ist eine Frau, die von ihrer Mission überzeugt ist. Die ihr Publikum motiviert und an die eigene Verantwortung packt. Dabei ist sie ganz bescheiden. Sie lacht darüber, dass sie für das „R“ in ihrer Aussprache von den Wirtschaftsbossen als vorstädtisch wahrgenommen wird. Aber sie wird respektiert für ihre Ausstrahlung und ihre Erfolge. Und das mit heute 70.
Magalus fulminante Geschäftsdaten
Nachdem sie 2000 das kleine Vorort-Haushaltswarengeschäft ihrer Eltern als einziges Kind übernahm, brachte sie ihr Magazin Luiza, liebevoll Magalu genannt, an die Spitze Brasiliens. Es hat alle Krisen als Omni-Channel-Unternehmen überstanden. Mit über 1.000 Niederlassungen im ganzen Land, auch im Regenwald. Die über 30.000 Mitarbeiter*innen wählen es Jahre in Folge zum beliebtesten Arbeitgeber. Luiza soll jeden von ihnen mit Namen kennen. Bei ihr gibt es nur flache Hierarchien. Ihre Direktdurchwahl und Mail-Adresse ist bekannt, und sie meldet sich unverzüglich, wenn sie gebraucht wird.
Frauenfreundliches Unternehmen
und Familienzentrum in einem
Ihre Ladengeschäfte für die Zielgruppen der kleinen Leute und des Mittelstandes liegen grundsätzlich in den Peripherien der großen Megastädte. Die Angestellten wie auch Kundinnen sind hauptsächlich Frauen. Drumherum hat Luiza volkshochschulartige Zentren errichtet. Dort bekommen ihre Kundinnen wie Mitarbeiterinnen viele Dienstleistungen für kleines Geld, Finanzberatung, Kredite, kostenlose Kurse in Familienführung mit Bildung und praktischem Wissen rund um Haushalt, Familie und Medizin. Diese Zentren haben auch während der Pandemie wichtige Dienste in punkto Hygiene geleistet.
Männer werden bei uns nicht ausgegrenzt
Da Frauenrechte in Brasilien auch heute noch problematisch sind ( https://www.frauenrechte.de/unsere-arbeit/themen/gewalt-im-namen-der-ehre/schwerpunkt-fruehehen/laenderprofile/2011-brasilien ), setzt sich Luiza bevorzugt für sie ein und kümmert sich darum, dass durch Bildung und einen auskömmlichen Beruf gestärkt werden. Mit Aktionen „Gegen Gewalt in der Ehe“ hat Luiza, verwitwet und Mutter von drei Kindern, bereits mit ihrer Grupo verschiedentlich erfolgreich Akzente gesetzt. „Ich habe nichts gegen Männer. Sie sind herzlich willkommen, wenn sie die Rechte der Frauen respektieren und auf Gewalt verzichten. In letzter Zeit unterstützten immer mehr Männer die Grupo. Sie erkennen, dass dadurch die Familie und die gesamte Gesellschaft Brasiliens Fortschritte macht.“
Digitalisierung schon früh erkannt
Allein die Erfolgsstory von Luizas Unternehmen ist ein Artikel für sich wert. Denn nicht umsonst gehen bei ihr Wirtschaftsforscher von Harvard und der Boston Constulting Group ein und aus. Auch, warum Credit Suisse das Geschäftsmodell von Magalu als eines der wenigen überlebensfähigen großen 7 Handelsketten weltweit einstuft, sind Themen für mehrere Artikel.
Die Grupo Mulheres do Brasil –
mehr als ein Internationaler Frauentag
Luiza hat schon früh ihr bürgerschaftliches Engagement auf benachteiligte Menschen konzentriert. Viel früher, als der Begriff CSR (Corporate Social Responsibility) aufkam, setzt Luiza die Frauenförderung in den Bereichen Bildung und Medizin um. Im Herbst 2013 traf sie sich mit 40 Mit-Unternehmerinnen, um die Lebensbedingungen von Brasilianerinnen verbessern. Daraus entstand die „Grupo Mulheres do Brasil“. Eine Selbsthilfegruppe von Frauen für Frauen – unabhängig von Herkunft, Hautfarbe, Nation oder Religon, Arm oder Reich. Das Ziel: Verbesserung ihrer Lebensbedingungen, aber auch die ihrer Kinder und: Männer.
Die Mission der Frauengruppe
Der Vereinszweck der Grupo besteht aus dem Traum aller 40 Gründungsfrauen mit dem Ziel, etwas für ihr Land zu tun. Die bereit waren, anzupacken, sich die Hände schmutzig zu machen, anstelle sich zu beklagen. Iramaia Kotschedoff, Präsidentin der Grupo in Düsseldorf betont: „Ganz wichtig ist uns: Wir wollen uns auf keinen Fall in die Politik einmischen. Frauen in Notsituationen sollen unterstützt werden. Möglichst schnell und ohne Verzögerung wollen wir Lösungen ohne Bürokratie finden.“
Von Brasilien auf alle Kontinente
Die Grupo ist zur größten überparteilichen Bewegung brasilianischer Frauen im Lande geworden. Die Erfolgswelle ist auch auf alle Kontinente übergegangen, wo Brasilianerinnen mit ihren Familien leben. Zum heutigen Datum stehen 81.328 Mitglieder*innen auf dem Zähler der brasilianischen Website. Bis zum Jahresende wollen die Frauen die magische 100.000 geschafft haben.
Mit der Kraft der Vernetzung
Seitdem Luiza in den letzten Jahren das Unternehmen in die Hände eines ihrer Söhne gelegt hat, kann sie sich stärker um die Aktivitäten der Grupo kümmern. Für die Kommunikation nutzt sie wie im Geschäftsleben die digitalen Kanäle, die sich bewährt haben. Im Gegensatz zu Deutschland ist das riesige Land Brasilien digital weiter fortgeschritten. Nahezu jede/r besitzt ein Smart Phone. Die Technologie, mit der Magalu groß geworden ist, lässt auch das Frauennetzwerk wachsen. Sie unterstützt es auch bei den vielfältigen Herausforderungen, die jetzt durch die Pandemie hinzugekommen sind.
Immer im Kontakt auch
mit Social Distancing
Wenngleich alle Brasilianerinnen wie auch ihre Schwestern auf der ganzen Welt gezwungen sind, ganz auf Treffen und Heimatbesuche zu verzichten, so empfinden sie sich durch das Netzwerk nie allein gelassen. In regelmäßigen Zoom-Konferenzen für die einzelnen Gruppen oder auch mal im großen Plenum über mehrere Städte oder Länder, trifft sich Luiza mit den Mitgliederinnen, hält sie mit Sachinformationen auf dem neuesten Stand. Besonders geschätzt sind ihre Ansprachen und Motivation, bei allem Stress immer besonnen zu bleiben und keinen Verschwörungstheorien zu folgen.
Die Pandemie als
Digitalisierungs-Booster
Als der Lockdown Mitte März 2020 die brasilianische Wirtschaft für drei Monate lahmlegte, verlief bei Luiza Trajano alles antizyklisch.
(Mehr dazu: Deutsche Welle https://www.dw.com/de/brasilien-f%C3%BCnf-millionen-jobs-weg/av-53624015)
Bedingt durch den Lockdown konnten Luiza und das Management von Magalu schon gleich zu Anfang alle Mitarbeiter*innen ins Homeoffice schicken. Keine*r war von Kurzarbeit oder gar Kündigung bedroht in diesen ohnehin schwierigen Zeiten. „Wir haben einfach alle Maßnahmen der Digitialisierung vorgezogen, die wir erst in drei Jahren umsetzen wollten.“ Keine*r musste in Kurzarbeit. Denn der Online-Handel boomt. Vor allem in der Pandemie muss im Haushalt alles funktionieren.
Chancen für Women of Colour
Im Herbst 2020 stellte sie weitere Mitarbeiter*innen mit einem umfangreichen Traineeprogramm – dieses Mal Menschen mit dunkler Hautfarbe.
Luiza stellte sogar wegen weiterer Expansion 1.000 Mitarbeiter*innen ein – diesmal ausschließlich farbige Frauen – inklusive eines Qualifizierungstraining. „Wir müssen darauf achten, dass alle Menschen in unserem Land Chancen bekommen. Unabhängig von der Hautfarbe. Bildung ist ein wichtiger Baustein für den Zusammenhalt unseres Landes.“
Magalu-Plattform als Marktplatz
für Kleinunternehmen
Klein- und Einzelunternehmen, die von jetzt auf gleich ohne Einnahmen dastanden, konnten ihre Unternehmen erstmals online auf der Magalu-Plattform präsentieren. So konnten sie mit der Infrastruktur der großen Partnerin weiterhin Geschäfte generieren oder sogar die Umsätze steigern.
Neue Arbeitsplätze für Pflegekräfte
Dank der bereits gewachsenen Strukturen von Familienzentren an allen Magalu-Standorten, konnte Luiza nun auch verstärkt medizinisches Pflegepersonal speziell für Corona-Patient*innen einstellen. Als die Pandemie die Krankenhäuser Anfang Februar 21 zum Kollaps brachte, holte sie Intensivpflegekräfte hinzu, um die Schwerstkranken mit Beatmung und allem Nötigen sogar in deren Häusern und Wohnungen zu versorgen.
Optimale Impfstoff-Infrastruktur
mit Partner-Unternehmen schaffen
Luiza weiß, dass die brasilianische Mutation hochgefährlich ist, nicht nur für ihr Land, sondern auch für die ganze Welt. Neben der Gesundheit ihrer Landsleute steht auch das Image ihres geliebten Landes auf dem Spiel.
So trommelte sie virtuell rund 400 Unternehmen und gemeinnützige Organisationen zusammen, um mit ihnen einen Plan zu schmieden, die ins Stocken geratenen Impfungen zu beschleunigen mit dem Ziel, alle Brasilianer*innen bereits bis September 21 zu impfen anstelle in vier Jahren. Ihre Initiative „Unidos Pelo la Vacina“ zielt darauf ab, das gesamte logistische Know-how des Privatsektors zu nutzen, um den Impfstoff auch zu den Ärmsten der Armen zu bringen. „Wir werden keine Impfstoffe kaufen. Die Regierung benötigt unser Geld dazu nicht. Aber wir können sie dabei unterstützen, die Auslieferung dank unseres Fachwissens und den logistischen Möglichkeiten unserer Unternehmen zu unterstützen,“ erläutert Luiza Trajano auf der Pressekonferenz.
Humanitäres Engagement –
aus Liebe zu Brasilien
Zu den Organisationen und Unternehmen, die sich einbringen, zählen Führungskräfte von Unternehmen wie der Fluggesellschaft Gol, der Bank Itau sowie den brasilianischen Niederlassungen von Volkswagen und Whirlpool (US-amerikanischer Hersteller großer Haushaltsgeräte). Auch für sie steht humanitäres Engagement über wirtschaftlich-politischem.
Mit der Power von 80 Tausend Brasilanerinnen
In dieser Situation kann sie auch auf die Kraft von 80 Tausend Frauen ihrer Grupo do Mulheres zurückgreifen, die mit ihr gemeinsam die gute Impf-Botschaft in die Welt hinaustragen und (hoffentlich) exponentiell schneller verbreiten als das Virus. „Ganz wichtig ist es, über alle Kanäle die Frauen und ihre Familien in unserem Lande zu erreichen. Wir wollen sie ermutigen, dass die Impfung entgegen vieler Vorbehalte, die beste Chance ist, die Pandemie zu besiegen und weitere Tote zu vermeiden.“
Wettlauf gegen das Virus
Die Aufgaben, vor denen das große Netzwerk „Unidos“ steht, sind gigantisch. „Wir wissen, dass unser September-Ziel ehrgeizig ist. Aber wir bemühen uns alle gemeinsam, Leben zu retten und die Wirtschaft wieder in Schwung zu bringen. Nur der Impfstoff kann unseren gemeinsamen Feind, das Virus, besiegen.
Die Beschaffung der Impfstoffe, die gesamte Logistik bis zur Errichtung einer Logistik – das ist eine Herkules-Aufgabe. Aber hier kann Luiza als erfolgreichste Unternehmerin Brasiliens punkten. „Wir setzen unsere jahrelangen Erfahrungen ein und nutzen unsere Stärken, um Probleme zu lösen. Wir wollen Dinge, die normaler Weise einen Monat oder mehr dauern, in 15 Tagen schaffen,“ sagte sie gegenüber dem größten südamerikanischen Fernsehsender GLOBO. Wer sie kennt weiß: „Luiza schafft das“.
Biografie
Luiza Helena Trajano Inácio Rodrigues * 9. Oktober 1951 in Franca, Bundesstaat Sao Paulo, Brasilien, geboren
Nach dem Jurastudium bis 1972 übernahm sie das elterliche Geschäft in Franca mit dem Namen Magazine Luiza.
1991 Geschäftsführerin und Vorsitzende
Heute ist das Magazin Luiza (Magalu) eine Kette von über 1.000 Filialen in 18 brasilianischen Provinzen mit über 18 Millionen Kunden und über 27.000 Mitarbeitern sowie ein börsennotiertes Unternehmen.
Sie ist Vorsitzende der NGO Grupo Mulheres do Brasil, gegründet 2013 von 40 brasilianischen Unternehmerinnen zur Förderung von Gleichberechtigung, Arbeit, Sicherheit, Gesundheit und Bildung für alle.
Derzeit 82.000 brasilianische Frauen in 14 Ländern, auf allen Kontinenten der Welt.
Ausgezeichnet als Person des Jahres 2020 von der brasilianisch-amerikanischen Handelskammer
Reichste Frau Brasiliens, laut Forbes 2020
Mitglied des Beirats von UNICEF Brasil. und UNFPA Brazil
Sie ist Feministin
Links
https://iramaia.com/grupo-mulheres-do-brasil/
https://www.facebook.com/grupomulheresdobrasildusseldorf/
https://www.instagram.com/grupomulheresdobrasildus/?hl=de
https://www.hbs.edu/creating-emerging-markets/interviews/Pages/profile.aspx?profile=lhtrajano
Handelsblatt
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