Landtagswahl – NRW 2022: wurstend fragt – unsere PolitikerInnen antworten
Landtagswahl am 15.05.22 in NRW! Daher ist es spannend zu erfahren, wie die KandidatInnen der Parteien das Zukunftsthema Klimawandel anpacken und in den Griff bekommen wollen. Als wurstend Redaktionsteam haben wir einen Online-Fragebogen zu entwickelt. Ziemlich schwierig stellte sich das Herausfinden der jeweiligen Mail-Adressen heraus – außer bei der CDU, die eine Landesliste im Netz hat.
Wie & wen haben wir gefragt? Wir haben die SpitzenkandidatInnen der etablierten Parteien (CDU, FDP, die Grünen, die Linke, SPD und AFD), die DirektkandidatInnen aus unseren jeweiligen Wahlbezirken sowie SpitzenkandidatInnen der „kleineren“ Parteien angeschrieben, sowie die verfügbaren Verteiler der im Landtag vertretenen Parteien.
1. Auswertung des Fragebogens
Wir haben über 200 Fragebogen versendet, von denen wir 40 Reaktionen zurückerhielten. Das freut uns sehr, denn mit unserem online Magazin sind wir erst seit einem Jahr am Start. Wir haben also nicht viel erwartet. Aber, als einzige NRW-Spitzenkandidatin hat uns Carolin Butterwegge, die Linke, geantwortet. Dazu meldeten sich viele DirektkandidatInnen unterschiedlicher Wahlkreise. Bei den Rückläufen gab es einige nahezu „postwendende“ bis hin zu einigen Nachzüglern. Es gab kurze, knackige, aber auch sehr persönliche Antworten wie auch Statements, die aussahen wie aus den Parteiprogrammen gepastet. Einigen KandidatInnen äußerten auch den Wunsch, über die LTW NRW 2022 hinaus im Gespräch zu bleiben. Was wir hier schon gerne zusagen!
Herzlichen Dank allen, die unserem Fragebogen ihre Zeit gewidmet haben. Ausgewertet haben wir händisch. Aus Gründen von mehr Übersichtlichkeit über das gesamte Spektrum der Antworten, haben wir die wichtigsten Aussagen pointiert und zusammenfassend formuliert.
2. Unser Eindruck: Absolutes Engagement und Ehrlichkeit in den Antworten
Wir waren von der Ehrlichkeit und dem persönlichen Engagement einzelner, die sich in ihren Antworten offenbarten, angenehmm überrascht. Interessant bei der Frage nach der persönlichen Motivation, in die Politik einer Partei zu gehen, war die Bandbreite der Antworten: Sie reichte von „tatsächlicher Notwehr“ über konkrete Anliegen zur Verbesserung des Kita- und Bildungssektors bis hin ging zum „Kampf gegen Ungerechtigkeiten“ oder zum Wunsch, einen positiven persönlichen Beitrag für die Gemeinschaft zu leisten.
Wir haben erfahren, welche Projekte unser VertreterInnen bereits im Vorfeld – auch gegen heftige Widerstände – durch- und umgesetzt haben: z.B. Lärmschutzwände an Autobahnen, Betreuung junger Obdachloser, Ausbau der Kinderbetreuung, Geld für Schulen, Barrierefreiheit, das Umsetzen des Bremer Modells in der Gesundheitsvorsorge für Geflüchtete und vieles mehr. Liebe PolitikerInnen, bitte haltet uns öfter über solche Projekte auf dem Laufenden!
Einige PolitikerInnen waren besorgt, ob wir als Meinungsrichter agieren wollten. Wir konnten sie beruhigen. Wir sind kein Meinungsforschungsinstitut. Dafür sind wir eine Plattform für Fairänderung mit dem Schwerpunkt rund um’s Klima in Umwelt, Wirtschaft und Gesellschaft. Bei diesen Themen sind wir natürlich besonders interessiert.
3. Konkrete Lösungen zu den „Big Five“ des Klimawandels
Die großen Themen, die im wörtlichen Sinne wichtig (nicht nur) für das Klima in NRW sind: 1. Mobilität, 2. Energie, 3. Klima- und Naturschutz, 4. Mobilität sowie 5. das digitale Rückgrat NRW. Sie sind im Grunde miteinander verbunden, was sich auch einigen Antworten widerspiegelt. Dennoch haben sich die KandidatInnen detailliert mit jedem einzelnen Punkt befasst, was wir hier gerne stichwortartig zusammenfassen.
Beim Thema Mobilität scheiden sich die Geister
Während die FDP fast einstimmig fordert „Mobilität muss zum Menschen passen“, dabei aber offen lässt, wie das konkret aussehen soll, kommen aus den anderen Richtungen konkrete Forderungen nach: z.B. einen aus ticketfreien Umlagen finanzierten ÖPNV“ sowie nach „Auto-freien Innenstädten“.
Bei Energie sind sich alle einig
Der Ausbau der Erneuerbaren Energien muss viel schneller von statten gehen, Genehmigungsverfahren müssen dringend verschlankt und beschleunigt werden. Durchgängig werden PV (Photovoltaik)-Anlagen als Pflicht für öffentliche und gewerbliche Gebäude gefordert, bei privaten als „Kann-Lösung“ dargestellt. Das Potential der Windenergie soll genutzt werden unter Berücksichtigung des Naturschutzes. Die Grünen wollen mit einem verbindlichen „Klima-Check“ aller künftigen Gesetze und Bauvorhaben das Land auf Kurs bringen.
Klima- und Naturschutz sind die ureigensten Themen der Grünen
Mittlerweile kommt aber keine ernst zu nehmende politischen Gruppierung mehr um ein Bekenntnis zum Klimaschutz herum. Das reicht von der „Bewahrung der Schöpfung“ (CDU) hin zu konkreten wie praktischen Maßnahmen: wie stärkere Baumbepflanzung in Städten und Förderung von mehr Urban Gardening-Projekten (CDU), die Umstellung der Landwirtschaft, Schaffung von Rückzugsgebieten für Insekten, Amphibien und Kleinsäuger (Die Linke, Tierschutzpartei) bis hin zum Emissionshandel, C2C-Kreislaufwirtschaft, Abschaffung der Massentierhaltung (SPD, FDP) und vielem mehr.
Im Bereich Bildung und Schule durch die Bank viele Visionen
Ganz neu sind die Forderungen von kostenfreien Kitas und Schulen nicht. Einigermaßen neu ist die finanzielle Gleichstellung der LehrerInnen unterschiedlicher Schulformen bis hin zu gezielter Förderung von Kindern in extra Talentschulen (FDP). Interessant sind die ähnlich lautenden Antworten über die notorisch mangelnde finanzielle und digitale Ausstattung deutscher Schulen, die nun endlich mit Tempo angegangen werden sollen, um dem allgemeinen Bildungsauftrag besser nachkommen zu können – vor allem nach den Lehren von Corona. Kein Wort von niemandem, wie die Bildungsdefizite sowie die psychischen Folgen von zwei Jahren Pandemieschule aufgefangen werden sollen. Wie SchülerInnen aus prekären oder migrantischen Milieus Anschluss ans Bildungsniveau erhalten sollen, wie die Integration mit Flüchtlingskindern aus der Ukraine gemeistert werden sollen. Lediglich Die Partei aus Mülheim fordert mehr Herzensbildung (!) in Schulen. Was wie Satire klingt, ist ein wichtiges Thema zum dringend anstehenden Klimawandel für die Kinder und Jugendlichen in unserem Lande.
Das Digitale Rückgrat NRW – viel Vollmundiges wenig Kenntnis
Die Mantra-ähnlich vorgetragenen Wünsche zur Digitalisierung beinhalten immer noch Allgemeines wie „5G an jeder Milchkanne“. Einig ist man sich, dass Deutschland immer noch ein digitales Entwicklungsland ist, das nun schnellstens (!) aufholen muss. Die SPD hat dafür ihren „Masterplan digitales NRW 2030“ in petto, der sich vor allem die Schnittstellen vornimmt. Grundsätzlich soll die Digitalisierung von Verwaltungen und Ämtern vordringlich angegangen werden. Nicht in den Antworten enthalten waren, die Risiken der Digitalisierung mitzudenken, wie Cyberkriminalität, Schutz der kritischen Infrastruktur und vor allem einen Plan zur europäischen Server-Autonomie oder gar einer europäischen Cloud auf die Bahn zu bringen. Und wo wir schon dabei sind, uns von der Dominanz vom Ausland abzukoppeln, wäre dies ein weiterer wichtiger Schritt zur Autonomie. Konzepte und konkrete Vorschläge gibt es bereits.
4. Warum finden sich beherzte Vorschläge und persönliches Vorwahl-Engagement in der anschließenden Politik nicht mehr wieder?
Unabhängig voneinander hatten wir bei der Durchsicht der Antwortbögen als wurstend-Redaktionsteam den Eindruck eines großen persönlichen wie ehrlichen Engagements. Im politischen Tagesgeschäft scheint dieser Funken leider verloren zu gehen. Leider merken wir als WählerInnen nachher nicht mehr viel davon. Sicherlich färbt die Bundespolitik oft auch auf die Landespolitik ab. So sind besonders die Grünen in Berlin wieder einmal auf einem sich verbiegenden Kompromiss-Kurs. Man könnte ihnen glatt Verrat an ihren Idealen nachsagen. Oder ihnen die Frage stellen, ob sie überhaupt die Klimawandel- und Friedens-Partei sind, als die sie angetreten sind. Wetterwendisch im Tagesgeschäft und als Garant zur Wiederwahl? Eine gute Kommunalpolitik wird niemanden in den Bundestag bringen, wohingegen eine schlechte Bundespolitik einem das Landtagsmandat „versauen“ kann.
Vielfach begegnete uns auch die (ebenfalls alle Jahre wieder bemühte) Aussage, Bürokratie abzubauen und Planungsverfahren zu vereinfachen. Ja, bitte! Macht’s doch endlich. Der Antragswirrwarr für Photovoltaik ist eine Katastrophe und bringt niemanden dazu, sich eine Anlage aufs Dach zu bauen. Und den so gewonnenen Strom, anderen zur Verfügung zu stellen. Wird das gezielt durch eine Energie-Lobby verhindert, die um ihre Monopolstellung fürchtet? Gar nicht auszudenken, welches Einsparpotenzial und welche Sharing-Community gerade durch die Kraft der Sonne in die Gänge käme. Das Gute ist schon da, aber oft kommt es uns WählerInnen so vor, als sei es nicht gewollt. Warum?
Für kostengünstige Mobilität besonders im ÖPNV haben sich eigentlich alle ausgesprochen.
ÖPNV funktioniert in gut erschlossenen urbanen Ballungsräumen, wo er auch von vielen PolitikerInnen genutzt wird. Ideen, wie ländliche Gebiete angebunden werden können, haben wir aber keine gesehen. Bei unseren EU-PartnerInnen gibt es dazu viele positive Beispiele, warum nicht davon lernen, profitieren, es umsetzen. Zum Beispiel auf einen ÖPNV „On-Demand“ umstellen? Ist das so schwer, weil Deutschland ein Autoland ist? Warum kann man daraus nicht neue Konzepte entwickeln? Wir waren doch mal auch das Land der DenkerInnen? Der IngeniereurInnen? Made in Germany? Lasst uns doch gemeinsam die Ärmel hochkrempeln. Raus aus der Lethargie zu neuem Elan! Da könnte Klimawandel sogar Spaß machen. Und Arbeitsplätze schaffen!
Apropos – HandwerkerInnnen braucht das Land
Unglaublich, wie unsere Gesellschaft die Potenziale, die gerade in handwerklichen Berufen liegen, negiert. Ab sofort brauchen wir so viele HandwerkerInnen wie nie. Gut ausgebildete Leute, die für den Klimawandel in unterschiedlichsten Gewerken umbauen und vor allem selbst Hand anlegen können. Wo ist dazu das Umdenken und ein wertschätzendes Mindset für Handwerksberufe? Wo sind die entsprechenden Schulen? Von digitalen Büromenschen allein lassen sich keine Sanitär- und Belüftungskonzepte umsetzen, keine Dächer klimaförderlich decken, keine klimafreundlichen Häuser bauen. Lediglich von der SPD kam die Forderung: “Meister und Master gleichstellen!”
Klimawandel und Gesundheit
Auch, wenn wir nicht zum Thema Gesundheit gefragt haben, bekamen wir trotzdem Antworten. Denn der Klimawandel ist die größte Bedrohung unserer Gesundheit. Definitiv. Unumstößlich. Wir wissen es: Warum werden dann immer noch Straßenzüge kahlgeschlagen, statt sie zu begrünen? Warum ist städtische Friedhofspflege noch letztes Jahrhundert, statt sie naturnah zu gestalten und damit weniger Pflege intensiv zu machen? Wo bleiben Lösungen für mehr Lebensqualität in urbanen Räumen? Warum werden Autobahnen geplant, statt mehr Schienen?
Demokratie ist mehr als unser Kreuz auf dem Stimmzettel. Lasst uns mitmachen!
Liebe PolitikerInnen, lasst uns mehr miteinander austauschen. Schluss mit Wahlverdruss!
Wir wollen Euch nicht nur wählen, eure Entscheidungen abwarten oder abmahnen! Wir wollen Euch unterstützen! Wozu haben wir eine Demokratie? Lasst uns gemeinsam etwas zu-muten! Ja, es braucht Mut von Euch, uns mit einzubeziehen, anzuhören, mit uns zu streiten! Und wir brauchen ebenfalls Mut, wenn Ihr uns in die Pflicht nehmt, uns in die Überlegungen, die uns alle angehen, beteiligt und auch Antworten erwartet. Bitte – macht Eure Koalitionsversträge künftig so, dass Eure kleineren Koalitionspartner nicht in Fesseln gelegt und unkenntlich werden. Lasst genügend Raum für Fairänderungen. Gerade die jüngste Vergangenheit zeigt uns ja, wie schnell sich Grundlegendes ändern kann (Ihr wisst schon: Pandemie, Ukraine…).
Gerade von den jungen KandidatInnen, die noch so dynamisch und inspirierend sind, wünschen wir: Behaltet auf Eurem politischen Weg Euren Elan, Eure Authentizität und Euren jugendlichen Willen zur Veränderung. Wir sind dann gerne Eure Community – ob jung oder alt – gemeinsam erden wir uns gegenseitig. Denn Demokratie, Frieden und eine intakte Umwelt finden immer noch hier auf dem Globus statt. In dem Sinne: Lasst uns das Beste aus dieser Wahl machen