Vegane Milchalternativen – Verrat oder Vernunft?
Die Regale im Lebensmitteleinzelhandel (LEH) sind voll mit veganen Milchalternativen. Der Markt brummt, die KonsumentInnen wollen vegan. Zumindest bei der Milch. Sie wollen sich auf was Neues einlassen.
Und hey, wir versuchen nicht mehr mit einer kleinen überschaubaren Community die Welt zu verbessern. Wir wollen sie RETTEN! Das geht allerdings nur, wenn die veganen Produkte den Geschmack der „eingefleischten“ VerbraucherInnen treffen. Wir können denen auch nicht kommen damit, wie umweltfreundlich diese Produkte sind. Diese Leute sind einzig über den Geschmack anzufixen, oder über sozialen Status.
Der Markt, die Revolution und wir
Das statistische Bundesamt erfasst übrigens auch das: Die Importe veganer Milchalternativen. Leider nur die Importe, die in Deutschland hergestellten Milchen haben keinen Erfassungsschlüssel. Während ich darüber noch fassungslos den Kopf schüttel, will ich hier auch nicht auf die Gefechte eingehen, die wegen der Benennung der Hafer- oder anderer Pflanzenmilchen als „MILCH“ gefochten worden sind. Das sollen dann später die HistorikerInnen aufarbeiten, wenn sie die Einflußnahme von LobbyistInnen untersuchen.
Die veganen Alternativen aber gehen mit ihren Umsätzen durch die Decke. Und kein Wunder also, dass die Großen der Lebensmittelhersteller sich die Kleinen einverleiben. Als Beispiel dafür kann Oatly dienen, die als unabhängiges Start-up 1994 in Schweden gegründet wurden. Sie mischen seitdem mit guten Produkten und frechen Sprüchen den Markt auf.
Von den Agrar Lobbyverbänden werden sie gebasht: Sie „führen Krieg gegen die Milchbauern“. Immer wieder wird auch die vermeintliche Unnatürlichkeit dieses Produktes hervorgehoben. Dagegen hatten sie bereits eine eingeschworene Kundschaft, die ziemlich erbost reagierte, als Oatly an die Börse ging und einer der Hauptinvestoren mit 7% die Firma Blackstone wurde. In der veganen Community kam das gar nicht gut an, denn deren Selbstverständnis geht nicht mit der „Old Economy“ zusammen.
Kaufen statt selber machen
Dabei baggern die „Großen“ schon stark um die „Kleinen“, denn die CO2 Bilanz ist ja etwas, was in die taxonomische Beurteilung der Firma eingeht und damit auch Investments sicher stellt. Danone geht da strategisch voran und hat im Jahr 2017 gezielt die Unternehmen Alpro und Provamel aufgekauft. Jetzt platzieren sie diese Produkte ganz provokativ direkt neben klassischen Milchprodukten.
Dem deutsche Start-up Vly versucht der Konzern Nestlé das Leben schwer zu machen und surft ebenfalls auf der Welle der Erbsenproteine. Dennree betritt als LEH ebenfalls die Welt der Eigenmarken, aber eben bio.
Vegane Milchalternativen sind definitiv raus aus der Nische und werden Mainstream. Auch, wenn es den Alt-VeganerInnen nicht schmeckt: wenn wir die Welt retten wollen, dann nur damit, dass vegane Alternativen den Markt erobern. Und das geht derzeit eben nur mit den „alten“ „Konzernen“.
Das teuerste zuerst
Auch Große haben sich der systematischen „Entwicklung“ des veganen Marktes verschrieben und folgen dabei den klassischen betriebswirtschaftlichen Vorgaben. Zuerst das, was auch in Natur schon am Teuersten ist: z.B. Fisch Dabei geht es nicht nur um die Verwendung alternativer, pflanzlicher Proteinquellen, sondern auch um das Entwickeln von Aromen und den Einsatz von Enzymen. Das haben wir ja auch schon in unserer ersten veganen Verkostung festgestellt. Burger Patties enthalten alle Aroma.
Ja, und es geht um Gewinn. Alleine, wenn man die Preise im LEH vergleicht. Kuhmilch wird teilweise noch für unter 1 Euro/l angeboten. Molkereien kaufen den MilchbäuerInnen den Liter derzeit (Anfang Februar 2022) für 45 Cent ab. An der Börse wird Milch höher gehandelt – weil: verderbliche Ware. Ja, an der Börse – richtig gelesen. Vegane Milchalternativen sind also mit den Ramschpreisen für Kuhmilch nicht zu vergleichen. Unsere für die Verkostung eingekauften Produkte waren zum Teil deutlich teurer
- Oatly, Hafermilch, rewe, 19.01.22, 1,59€
- Vly:, Milch auf Erbsenprotein, rewe, 19.01.22, 1,99€
- Alpro: Sojamilch, rewe 19.01.22, 1,99€
- Provamel: Mandelmilch, Denns Biomarkt, 17.01.22, 2,99€
- Dennree: Reisdrink natur, Denns Biomarkt, 17.01.22, 1,49€
Bei den Deutschen sind einer Umfrage zu Folge Hafermilch und Mandelmilch die beliebtesten Milchalternativen.
Rettet Hafer die Welt?
Auch, wenn zum Teil große Konzerne hinter den Milchalternativen stehen, den Schleswig Holsteinischen Bauernverband stört es nicht. Er basht auf plumpe Weise mit an Satire grenzender Aufmachung die Hafermilch. Und rechnet sie sogar als Klima schädlich vor. Wenn das also eines zeigt, dann, dass die veganen Milchalternativen echt gut sind. Die Milchbauern müssen sich auf neue Zeiten einstellen. Danone, eines der Schwergewichte in der Milchverarbeitung, beschloss letztes Jahr, die gesamte Marke Alpro auf vegan umzustellen. Sie kündigten kurzerhand die Verträge mit den Milchbauern.
Den Konzernen geht es leider weiterhin nur um den Gewinn. Aber vielleicht sollte man die Gewinnmaximierung auch als etwas Übergangsmäßiges sehen, das jetzt durch die veränderten Investitionsregeln zwar noch Auftrieb erhält. Aber langfristig so uninteressant sein wird wie die Partei „Die Grünen“.
Verraten wir unsere Ideale, wenn vegan mainstream wird?
Müssen jetzt alle veganen Unternehmungen einem Gesinnungs-Check unterzogen werden? Ja, wenn sie mainstrem werden auf jeden Fall. Denn der Gedanke der GründerInnen war doch in vielen Fällen, eine gesellschaftliche Transformation herbeizuführen. Und ein Gesellschaftssystem jenseits des Kapitalismus zu etablieren. Wenn ein internationaler Konzern die Start-ups aufkauft, geht diese Idee oft verloren. Das haben wir gesehen bei dem Deal 2006 als L’Oreal das britische Start-up Body Shop kaufte.
Wenn es hier aber um die Milch geht, dann ist alleine aus Sicht dieser unethischen „Produktionsmethoden“ eigentlich ein Ausstieg unumgänglich. Und die Forderung von Cem Özdemir, dass auch in Deutschland die LandwirtInnen von ihrer Arbeit leben können müssen, wird zu einem Preisanstieg der Produkte tierischer Herkunft führen. Vegan wird in kurzer Zeit also nichts mehr sein, was sich nur eine hippe urbane Klasse leisten kann. Die Forderung von unserem Redaktionskollegen Daniel in unseren wurstend Neujahrswünschen nach einer reduzierten Mehrwertsteuer auf vegane Produkte wird dann das politische Signal sein.
Natürlich werden dann wieder einige ewig gestrige Gesundheitsapostel wieder aus der Versenkung hervorkommen, die generell den Nutzen der veganen Produkte in Frage stellen. Beliebte Kritikpunkte sind dabei die Nährstoffe Vitamin B12 und Jod. Die KritikerInnen veganer Ernährung verkennen aber oft, dass auch Tiere kein Vitamin B12 selbst herstellen können. Beides, Jod und Vitamin muss ihnen mit der Nahrung zugefüttert werden.
Fazit: Wenn vegane Milchalternativen mainstream werden, dann wird sich auch das Bild von der Ideologie geprägten Veganerin ändern. Und das ist doch eigentlich was Gutes, oder?