Deutschland Dein Ehrenamt
„Rund 29 Millionen Menschen engagieren sich überall in unserer Gesellschaft für das Gemeinwohl. Jede und jeder kann etwas, was auch anderen guttut.“ Das sagt das Bundesministerium des Inneren und für Heimat. Und wirbt damit für das Ehrenamt. Und versichert: „Ehrenamt verdient großen Respekt. Das BMI unterstützt ehrenamtliches und bürgerschaftliches Engagement intensiv und vielfältig.“
Am 5. Dezember feiern wir den Internationalen Tag des Ehrenamtes.
Ehrenamt und Bürgerschaftliches Engagement
Ich glaube, da müssen wir zunächst Begrifflichkeiten klären, denn Ehrenamt und bürgerschaftliches Engagement sind nicht das gleiche. Auch, wenn sie alle dem Gemeinwohl dienen und freiwillig und unentgeltlich geleistet werden.
Das Ehrenamt bezieht sich auf eine formale, oft in Vereinen oder Organisationen eingebettete Tätigkeit. Deswegen hat Statista, das Statistikportal, auch andere Zahlen als das BMI: „Rund 16,1 Millionen Ehrenamtliche gab es im Jahr 2023 in Deutschland.“
Das Bürgerschaftliche Engagement ist weiter gefasst und beinhaltet alle Formen des freiwilligen Engagements, auch informelle Tätigkeiten, wie Nachbarschaftshilfe, politische Partizipation oder die Teilnahme an Bürgerinitiativen. Dort engagieren sich dann wohl die 12,9 Millionen anderen, die Statista nicht dem Ehrenamt zuordnet.
Wo sich die Deutschen organisieren
Die Ehrenamtlichenorganisieren sich vor allem in Sportvereinen, kirchlichen Einrichtungen und Hilfsorganisationen. ( Statista).
Doch frage ich die KI, steht ganz vorne auf der Liste der ehrenamtlichen Tätigkeiten die Freiwillige Feuerwehr, dann das THW, danach Rettungsdiensthelfer sowie Krisenintervention und Notfallseelsorge. Das sind auch die Ehrenämter, die gerne im TV gezeigt werden, wenn das zum Thema gemacht wird. Und ja, bei Feuerwehr und Katastrophenhilfe können sicherlich die Meisten gut nachvollziehen, wie wichtig das Ehrenamt ist.
Doch was ist mit den anderen ehrenamtlichen Tätigkeiten?
Schöffen und ehrenamtliche RichterInnen, Jugentrainerinnen, Schülerlotsen oder Vorlesehelferin? Ehrenamtliche in Umweltverbänden? NaturschutzpflegerInnen? Stadt- oder MuseumsführerIn ? Mitarbeiterinnen in Bürgerbüros, der Caritas, in Seniorenheimen, bei Alleinerziehenden, im Tierschutz, als Integrationshelferin für MigrantInnen oder Menschen mit Behinderung….
Das Ehrenamt ist also viel mehr als nur die Menschenrettung! Leider wird uns in den Medien ein verzerrtes Bild dieses Engagements gezeigt. Liebe Medienschaffende der öffentlich rechtlichen Verdummungsananstalten, das könntet Ihr besser machen.
Regelmäßig übringens fragt das Statistische Bundesamt nach, wofür wir Deutschen unsere Zeit verwenden. Dazu gehört auch das Ehrenamt oder das freiwillige Engagement.
Politisches Ehrenamt und Protest
Natürlich wirft das die Frage auf, ob auch ein politisches Engagement ehrenamtlich ist. Und natürlich auch, ob Bewegungen wie FridaysForFuture oder Letzte Generation es auch sind.
Dabei ist in vielen Fällen auch das politische Engagement ein Ehrenamt. Vor allem, wenn es unbezahlt oder nur geringfügig vergütet ist, wie in der kommunalen und regionalen Politik. Dort sind viele Gemeinde- oder Stadträte ehrenamtlich, Kreistagsabgeordnete , Ortsvorsteher oder BürgermeisterInnen, ehrenamtliche WahlhelferInnen, Mitglieder in politischen Ausschüssen oder aber auch die Parteiarbeit auf lokaler Ebene. „In diesen Rollen steht oft das Gemeinwohl und die Mitgestaltung an politischen Prozessen im Vordergrund. Auch wenn die Arbeit oft zeitintensiv ist, wird sie in der Regel nicht als Hauptberuf ausgeübt und kann daher als Ehrenamt betrachtet werden.“ Kann oder muss?
Kurz unsere demokratischen Strukturen würden zusammen brechen, gäbe es kein Ehrenamt. Wenn nun aber auch Vertreterinnen dieser Strukturen einer systematischen Bedrohungslage ausgesetzt sind, so muß man das doch eigentlich als einen Angriff auf unsere Demokratie werten, oder Frau Faeser?
Und die Protestbewegungen? Diese fallen typischerweise nicht unter das Ehrenamt, da sie sich nicht in festen Strukturen, Vereinen oder Organisationen abspielen. Auch wenn das Engagement in Bürgerinitiativen durchaus ehrenamtlich sein kann. Protestbewegungen wie FridaysforFuture gelten trotz des unentgeltliches Engagements und einem starken Einsatz für das Gemeinwohl nicht als Ehrenamt. Es fehlt hier an der formellen Ausrichtung. Man könnte zwar sagen, dass sich die Aktivisten „ehrenamtlich“ engagieren, aber das Hauptziel liegt eher im politischen und gesellschaftlichen Wandel durch Aktivismus und Protest.
Wir notieren, gesellschaftliche Fairänderung einzufordern ist erst mal keine Ehrenamt, auch wenn es ums Gemeinwohl geht. Kein eV kein Ehrenamt……
Die Unsichtbaren
Absolut unter dem Radar aber fliegen die Engagierten, die sich um die soziale Teilhabe von Behinderten kümmern. Oder Projekte, in denen sich Behinderte einbringen können, die weder kirchlich organisiert sind noch von Aktion Mensch beworben werden.
Behinderung ist dabei so vielschichtig wie das Leben selbst, sie kann angeboren oder erworben sein. Doch unter dem Gesichtspukt der Inklusion wollen wir, dass alle Menschen am gesellschafltichen Leben teilhaben können. In NRW leben 3,67 Millionen Menschen mit Beeinträchtigungen (Behinderungen und chronischen Erkrankungen). Etwa zwei Millionen Menschen haben eine anerkannte Schwerbehinderung. Nicht alle können sich gleichermaßen einbringen und für einige müssen andere sich einbringen.
Ein positives Beispiel für gelungene Arbeit ist das Kunstcafé Einblick in Kaarst sowie der Lea-Leseclub, für den sich unsere wurstend-Redakteurin Ulrike engagiert. Sie erlebt hautnah, wie sich die Lebenswirklichkeit ihrer Schützlinge verändert, in dem Moment, in dem sie gesehen und wertgeschätzt werden. Umgekehrt aber auch können wir viel von den vermeintlich Behinderten lernen wie zB bei wortfinder eV.
Ehrenamt braucht Unterstützung
Unbezahlt, Gemeinwohl orientiert, Zeitaufwand und Verantwortung. Es ist schön, dass in der sozial ökologischen Transformation und im Gemeinwohl Geld keine so große Rolle spielen soll. Somit ist eine Aufwandsentschädigung wie bei ehrenamtlichen Wahlhelferinnnen, politisch Aktiven der Kommune das mindeste, was geschehen muss. Was aber mit Personen, die weder in der freiwilligen Feuerwehr, noch in Sportvereinen aktiv sind? Was erhalten diese? Gottes Lohn, wie in den kirchlichen Organisationen? Oder Schulterklopfen, Händedruck, Gut Gemacht!? Davon können sich die wenigsten etwas kaufen. Die vielen möglichen Belohnungen des Engagements und Anerkennungen haben andere Dinge im Fokus:
– Auszeichnende Belohnung: Öffentliche Ehrungen, Verleihung von Ehrennadeln oder Urkunden, Vorstellung in Mitgliedermagazinen oder Pressebeiträgen
– Gemeinschaftsfördernde Belohnung: Kostenlose Einladungen zu Veranstaltungen wie Neujahrsempfängen, Grillabenden oder “Tagen des Ehrenamts”
– Tätigkeitsbegleitende Belohnung: Bereitstellung notwendiger Sachmittel zur Ausübung des Ehrenamts, z.B. PC-Ausstattung oder Transportfahrzeuge
– Kenntnisvermittelnde Belohnung: Angebot von Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten, Bescheinigung erworbener Fähigkeiten.
– Ersatz von Aufwendungen: Erstattung von Fahrtkosten, Telefon- und Portokosten.
– Materielle Belohnung: Ehrenamtspauschale als steuerfreier Freibetrag
– Qualifizierung als Anerkennungsform: Individuelle Weiterbildungsangebote, Förderung eigenständiger Projekte
– Immaterielle Anerkennung: Empfehlungsschreiben, Vorteile in Ausbildung und Beruf, Ehrenmitgliedschaften
– Geldwerte Anerkennungsformen: Kostenlose Nutzung von Vereinsräumen, ermäßigte Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel oder Kultureinrichtungen.
Da mit dem Ehrenamt auch ein erheblicher Zeitaufwand und Verantwortung verbunden sind, sollte der Spaß und die Überzeugung für die Idee im Vordergrund stehen. Und ganz ehrlich die Frage, wer soll sich denn dann im Ehrenamt engagieren? Junge oder Alte? Reiche oder Arme? Deutsche oder Migranten? Oder doch am besten alle?
Während die Ehrenamtlichen also nur mit wenig Geld rechnen können, brauchen die ehrenamtlichen Projekte umgekehrt große finanzielle Unterstützung.
Wenn wir zudem wollen, dass sich auch die Jüngeren gerne engagieren, müssen wir möglicherweise mehr bieten. Wie zB eine Anrechnung der geleisteten Zeiten auf die Rente. Dann bekommt man möglicherweise auch viel mehr Jüngere motiviert, sich auch jenseits des Freiwilligen Sozialen Jahres zu engagieren.
Wir bei wurstend finden, ein Ehrenamt sollte insgesamt gesellschaftlich mehr wertgeschätzt werden. Natürlich macht das Ehrenamt den Engagierten dort auch Freude (warum sollten sie es sonst tun?), es sollte aber auch wertschätzend entlohnt werden und damit seinem gesellschaftlichen Stellenwert gerecht werden. Denn kann es denn sein, dass Ehrenamtliche pro Jahr hochgerechnet die Arbeit zweier DAX Konzerne leisten und dafür noch gedisst werden?
Ihr könnt Euch engagieren und ja, Geld hilft!
Kunstcafé Einblick
Spendenkonto:
Sparkasse Neuss
IBAN: DE21 3055 0000 0240 2007 6
Ihr sucht noch ein Weihnachtsgeschenk? Wie wäre es mit dem Literarischen Wochenkalender von Die Wortfinder ev?
Bildnachweise
Titelbild: Titelbild aus elements.envato.com https://elements.envato.com/de/vintage-clouds-seamless-patter-26BSJDX mit freundlicher Unterstützung von https://liliesnbirds.eu/.
Abbildungen 2 und 3 Ulrike Brinkmann
Zitat auf dem Titelbild von Wortfinder eV, Kalender 2024