Wie unsere Zukunft noch zu retten wäre
Foto-Credit: Kourosh Keshiri
Das Buch von Naomi Klein, erschienen in Hoffmann und Campe, Hamburg 2019:
Warum nur ein Green New Deal unseren Planeten retten kann.
Eingangszitat vorausgestellt von Naomi Klein: Kim Stanley Robinson, Science Fiction Autor, USA, (*1952)
„Die Zukunft ist nicht in eine bestimmte Bahn gegossen.
Im Gegenteil, wir könnten das sechste große Massenaussterben
in der Erdgeschichte auslösen oder eine blühende, langfristig
tragfähige Zivilisation schaffen. Von nun an ist beides möglich.“
Am 19. Januar 2018 schockierte die damals 16-jährige Greta Thunberg die ganze Welt mit ihrem Feueralarm: „Our house is on fire!“. Die Kanadierin Naomi Klein (Jahrgang 1971), eine der bekanntesten Aktivistinnen, renommiertesten Intellektuellen und Neoliberalismus-Kritikerinnen Nordamerikas leitet ihr Buch zum „Green New Deal“ (erschienen 2019) mit der Überschrift ein: „Wir sind der Flächenbrand“. Schon 2007 hat sich Naomi Klein als „Schocktherapeutin“ einen Namen gemacht, als sie ihre Beobachtungen zum Hurrikan Katrina, den sie „bis zu den Hüften im Wasser stehend“ über/lebt hat, in ihrem gewichtigen Buch zur „Schockstrategie – Der Aufstieg des Krisenkapitalismus“ zusammengetragen hat. Ihre These: „Der Siegeszug des Neoliberalismus habe stets auf Katastrophen und Gewalt basiert, auf der Strategie, die Bevölkerung in einen Zustand von Schock und Orientierungslosigkeit zu versetzen und diese Schwäche zu nutzen, um neoliberale Reformen durchzusetzen.“
Nahezu 12 Jahre später beschreibt Naomi Klein eindrucksvoll ihre Betroffenheit durch die Waldbrände an der nordamerikanischen Westküste. Sie sind für sie „rauchende Beweise“ dafür, dass die Klimakatastrophe kein fernes Szenario mehr ist, sondern wir bereits mitten drin leben. Mit ihrem „Green New Deal“ bezieht sich die Autorin auf den „New Deal“ des 32. US-amerikanischen Präsidenten Franklin Roosevelt (Präsidentschaft von 1933 bis 1945), der mit seinem Programm aus Wirtschafts- und Sozialreformen auf die Wirtschaftskrise in den 1930er Jahren reagierte.
Klima- und Sozialpolitik endlich ganzheitlich sehen
Über die Forderung nach einem Kohleausstieg hinaus bleibt die Autorin jedoch vielfach unkonkret, wie dieser von ihr postulierte Green New Deal genau aussehen soll. Vor allem bleibt sie auch die Antworten schuldig, wie und warum nur er „unseren Planeten retten kann“, wie sie im Untertitel verspricht. Eines wird allerdings ganz klar: der Kapitalismus mit seiner Wachstumsideologie steht dem Klimaschutz entgegen. Aber was genau soll ihn ersetzen? Über das mehrfache Recyceln ihrer eigenen Vorträge im Buch kann man hinwegsehen. Sie versöhnt dann wieder mit ihren Hinweisen auf den wichtigen Zusammenhang von Klima- und Sozialpolitik. Denn Klimaschutz ist immer auch eine soziale Frage. Und eine globale. Wenn der industrialisierte Norden seine schmutzigen Fabriken in den Süden und Osten auslagert, erreicht er seine Klimaziele auf Kosten anderer. Es ist Kleins Verdienst, aufgezeigt zu haben, dass nicht nur der Kapitalismus die Welt ausbeutet, sondern auch die Klimapolitik der reichen Länder auf Kosten der Ärmeren geht. Wenn schmutzige Diesel-Altfahrzeuge aus Deutschland nach Afrika exportiert werden, ist dieses Handeln auch eine Form von Rassismus.
Es gibt viele Bücher über den Klimawandel, Neoliberalismus, Arm und Reich. Auch wenn das Buch aus ihrer nordamerikanischer Perspektive geschrieben ist, geht die Autorin auf die großen, globalen Zusammenhänge ein. In Kleins Buch werden die globalen Auswirkungen einer Klimapolitik, die vielfach noch auf dem Stand des Kolonialismus des letzten Jahrtausends basierend verdeutlicht. Dies als eine mehr oder weniger subtile Form des Rassismus anzuprangern, öffnet die Augen. Wenn beispielsweise abgewrackter Autobestand aus Europa in arme Drittstaaten verklappt wird. Wir uns unserer Plastikabfälle entledigen, die in den Meeren Fernost herumdümpeln oder aber die Sojaproduktion für die Fleischindustrie genauso für unseren Lebensstil beanspruchen wie die grüne Lunge der Regenwälder Südamerikas. Allein für diese Horizonterweiterung lohnt es sich das plakativ grüne Buch von Naomi Kleine auf jeden Fall zu lesen. Vielleicht verleitet es auch den oder die geneigte/n LeserIn sich mit den seit 2000 publizierten Warn-Fachbüchern der Autorin auseinander zu setzen:
„No Logo“ – Der Kampf der Global Players um Marktmacht: ein Spiel mit vielen Verlierern und wenigen Gewinnern, 2000,
„Die Schockstrategie“ – Der Aufstieg des Katastrophen-Kapitalismus, 2007
„Gegen Trump“ – Wie es dazu kam und was wir jetzt tun müssen, 2017
Naomi Klein – Short Vita
Sie wurde 1971 in Montreal geboren, nachdem ihre Eltern aus Protest gegen den Vietnamkrieg die USA verlassen hatten. Nach ihrem Studium an der Universität von Toronto, wo sie Chefredakteurin der Campus-Zeitung war, schrieb sie fünf Jahre lang eine Kolumne für den “Toronto-Star”. Sie schreibt und berichtet für grolße internationale Zeitungen und Sender und veröffentlicht Sachbücher rund um die Themen Klimawandel, Neoliberalismus, Armut, Rassismus, die in über 28 Sprachen übersetzt wurden.
Mehr zur Person:
https://www.fembio.org/biographie.php/frau/biographie/naomi-klein/
https://taz.de/Naomi-Klein-ueber-die-Klimakrise/!5627406/
Website: https://naomiklein.org/about-naomi/
Auszug Bibliographie
Klein, Naomi (2003): Über Zäune und Mauern. Berichte von der Globalisierungsfront. Aus dem Englischen von Heike Schlatterer und Helmut Dierlamm. Frankfurt am Main, New York. Campus. ISBN 3-593-37216-9.
Klein, Naomi (2007): Die Schock-Strategie. Der Aufstieg des Katastrophen-Kapitalismus. Aus dem Englischen von Hartmut Schickert. Frankfurt am Main. Fischer. ISBN 978-3-10-039611-2.
Klein, Naomi (2015): Die Entscheidung. Kapitalismus vs. Klima. Frankfurt am Main. FISCHER Taschenbuch. ISBN 9783596031351.
Klein, Naomi; Schlatterer, Heike (2015): No Logo! Der Kampf der Global Players um Marktmacht – ein Spiel mit vielen Verlierern und wenigen Gewinnern. (=No Logo)1. Aufl. Frankfurt am Main. FISCHER Taschenbuch. (Allgemeines Sachbuch, 03127) ISBN 9783596031276.
Klein, Naomi (2017): Gegen Trump. Wie es dazu kam und was wir jetzt tun müssen. Übersetzung: Gabriele Gockel, Sonja Schumacher und Claus Varrelmann. Himmelstoß, Beate (Erzähler). Ungekürzte Lesung, ungekürzte Ausgabe. München. Der Hörverlag. ISBN 9783844528473.
Klein, Naomi (2017): Gegen Trump. Wie es dazu kam und was wir jetzt tun müssen. (=No is not enough) Übersetzung: Gabriele Gockel, Sonja Schuhmacher und Claus Varrelmann. Frankfurt am Main. S. Fischer. ISBN 9783103973495.
Klein, Naomi (2019): Warum nur ein Green New Deal unseren Planeten retten kann. Übersetzung: Gabriele Gockel, Barbara Steckhan und Sonja Schuhmacher.