ESG – mit grünen Finanzanlagen die Welt retten?
Mit den ESG Kriterien werden Finanzanlagen neu bewertet. Sie sollen grüner werden, nachhaltiger, fairer. Wir, d.h. die AnlegerInnen und VerbraucherInnen, aber auch InvestorInnen werden ein Steuerungsinstrument in der Hand haben, um Geld eine andere Veränderungsmacht zugeben. Mit dem Ziel Welt-Rettung. Der Monat Mai ist dabei traditioneller Weise der Monat der Hauptversammlungen und Dividendenzahlungen. Jetzt werden Aktiengesellschaften und Finanzanlagen auf den Prüfstand gestellt.
Selbst Blackrock, derzeit weltgrößter Vermögensverwalter, hat sich „grün“ in die Unternehmensziele geschrieben. Blackrock? Als Finanzinvestor ist er in vielen Chemie- und Pharmaunternehmen der größte Einzelaktionär, weswegen man an den „Wandel“ kaum glauben mag. Im Hinblick auf die anstehenden globalen Herausforderungen aber müssen klare Regeln her, damit mit Finanzanlagen eine echte Fairänderung erreicht werden kann. Und damit echte nachhaltige Produkte vom „Greenwashing“ unterschieden werden können.
Was macht Finanzanlagen grün?
Die Wirtschaftsmagazine sind voll von grünen Finanzanlagen auf Druck aus dem Bundesumweltamt . Grün ist aber kein Selbstzweck, denn auch der Klimawandel birgt hohe ökonomische Risiken. Die Europäische Union hat im Zuge des „Green Deals“ Regeln aufgestellt, die Finanzwirtschaft nachhaltiger zu gestalten. Viel davon findet sich jetzt nicht nur in den Unternehmensberichten wieder, sondern folgerichtig auch in Finanzanlagen. Dafür veröffentlichen Unternehmen die sogenannten nicht finanziellen Erklärungen oder Nachhaltigkeitsberichte.
1. ESG Kriterien
Die aktuelle ethisch nachhaltige Bewertung von Unternehmen wird als Standard in drei Bereiche, die sogenannten ESG Kriterien, aufgeteilt:
- Umwelt (Environment),
- Soziales ( Social) und
- Unternehmensführung (Governance).
Die ESG Kriterien relativieren dabei die bisher einseitige Gewinnorientierung von Finanzanlagen und beziehen andere – bisher nicht monetär bewertete – Kriterien mit ein.
2. Ratingagenturen und ihre Bewertungen
Auf ESG spezialisierte Ratingagenturen sammeln finanzielle und nicht-finanzielle Kennzahlen sowie Leistungsindikatoren, bereiten diese auf und definieren damit auch, was als nachhaltig anzusehen ist. Leider sind ihre Beurteilungskataloge nicht einheitlich und können durchaus zu erheblichen Abweichungen in der Einschätzung führen. (WiWo print Nr. 15, 9.4.2021)
3. Umsetzung der UN-Nachhaltigkeitsziele
Von den Vereinten Nationen wurden mit den „Sustainable Development Goals“ (SDG) global gültige Ziele festgelegt, die bis 2030 erreicht sein sollen. Diese siebzehn Ziele der Nachhaltigkeit sind nicht auf den Finanzmarkt begrenzt, sondern stellen generelle, allgemein gültige Menschheitsziele dar. Sie richten sich an alle: die Regierungen weltweit, aber auch die Zivilgesellschaft, die Privatwirtschaft und die Wissenschaften.
4. Taxonomie der EU Finanzmarktregulierung
Darüber hinaus ist Nachhaltigkeit in den nächsten Jahren ebenfalls das zentrale Thema der europäischen Finanzmarktregulierung. Zum Erreichen ihrer Ziele nimmt sie hierzu den Finanzsektor unter dem Stichwort „Taxonomie“ in die Pflicht. Die EU-Kommission hat dazu zahlreiche ambitionierte Regulierungsprojekte angeschoben. Von diesen befürchten allerdings viele Fondsmanager, dass sie über das Ziel hinaus schießen.
Die Flossbach von Storch AG sagt in ihrem „Active Ownerschip Report“: „Eine Regulierung, die mit ihren Verordnungen methodische Grenzen überschreitet, gefährdet ihre eigenen Ziele.“ Bert Flossbach, der Gründer der Vermögensverwaltung Flossbach von Storch, dagegen wird deutlicher und hält es für „Beschäftigungstherapie“ . Auf der anderen Seite kann aber genau diese Taxonomie sich als revolutionäres Instrument für den Klimaschutz erweisen. Dr. Matthias Kannegiesser erläutert dies genauer bei sustainable natives.
“The business of business is business”
Eine Investition sollte man nie nur unter einem Gesichtspunkt bewerten. Denn jedes Geschäft birgt immer ein gewisses Risiko. Das betrachtet auch die BaFin in ihrer Veröffentlichung zu nachhaltigen Geldanlagen. Gleichzeitig zeigen sie, dass wir VerbaucherInnen das Risiko meist nicht gut genug abschätzen können.
Eine gute Beratung und ein vertrauensvolles Verhältnis zu einer Bank oder FinanzberaterIn ist in jedem Fall hilfreich, wenn man selbst kein Anlageprofi ist. Auch der Blick auf die Verbraucherzentrale ist empfehlenswert. Die Hochschule Luzern hat dazu verschiedene Finanzanlagen bezüglich ihrer Nachhaltigkeit analysiert und miteinander verglichen. Ähnlich schwierig ist es mit der Einschätzung des Risikos auch für große Investoren, die von der Höhle der Löwen bis weit in den Profi Bereich, wie den neu gegründeten European Bioeconomy Fond, reichen. Bei allen Investments kommt es immer auf den richtigen Zeitpunkt an und darauf, die Nerven zu bewahren, wie z.B. bei Beyond Meat.
Wie viel Schmutz versteckt sich hinter nachhaltigen Finanzanlagen?
Allen ist klar, dass Begriffe wie „klimaneutral“, „klimafreundlich“, „umweltschonend“ oder „ökologisch“ nicht ausreichen, um eine Finanzanlage umfassend zu bewerten. Der Bundesverband der Verbraucherzentralen hat im Januar ein umfangreiches Gutachten zum transformativen Potential von Finanzanlagen herausgegeben. Unabhängig davon sind hier drei typische Beispiele:
- Die Aktie: Hier kann ich anhand des Geschäftsberichtes der Aktiengesellschaft erkennen, wie sehr sich das Unternehmen an die ESG Kriterien hält und entscheiden, ob ich sie kaufe. Schusswaffenhersteller oder Kohlekraftwerke z.B. wären dann raus.
- Schwieriger wird es bei einem Fonds, bei dem die Fondsmanager entscheiden können, wie viel „schmutzige“ Anlagen sie beimischen. Als „schmutzig“ gelten beispielsweise nicht nur Energiegewinnung aus fossilen Energieträgern, sondern auch Unternehmen, die Biozide herstellen, Tierversuche machen oder Tabakprodukte, Alkohol oder Glücksspiele vertreiben. Seit dem 10. März 2021 gilt übrigens eine europäische Offenlegungsverordnung, bei der Finanzunternehmen belegen müssen, wie nachhaltig ihre Angebote sind.
- Und Gold? Auch hier aufgepasst: Denn bei der Förderung von Gold entstehen große Umweltschäden. Es gibt zwar öko-zertifiziertes Gold, doch hier muss ich den Angaben des Anbieters vertrauen können. Da Gold häufig illegal gefördert wird, ist es schwierig das gute von dem weniger guten schnell unterscheiden zu können.
Fazit
Mi den ESG-Kriterien und der EU-Taxonomie liegen Regeln vor, mit denen wir VerbraucherInnen Entscheidungsinstrumente in der Hand haben, die „bessere“ (= nachhaltigere) Finanzanlage zu wählen. Diese Regeln sind für alle Akteure im Finanzsektor verbindlich. KritikerInnen fühlen sich dabei überreguliert und OptimistInnen erkennen in der Taxonomie die Möglichkeit von Sprunginnovationen sowie das Erreichen sozialer Kipppunkte, die das Klima positiv beeinflussen. Das Institut für Klimafolgenforschung und andere Forschungsinstitute messen dabei der Finanzregulierung den schnellsten und effektivsten Beitrag zu.
Ist die Welt mit Geld zu retten?
Wirtschaft funktioniert nicht ohne Vertrauen, eine nachhaltige Finanzwirtschaft nicht ohne Regeln und Kontrolle. Durch die ESG Kriterien und die EU Verordnungen wird nicht von jetzt auf gleich eine bessere Welt entstehen. Es bleibt dabei abzuwarten, ob Unternehmen, die gegen die Regeln verstoßen, überhaupt “abgestraft” werden. Die Bayer AG, Pflanzenschutz und Pharma, ist dabei ein Beispiel dafür, wie man es richtig schlecht machen kann. Der Monsanto Deal, der schon vor dem Abschluss heftig kritisiert wurde, führte 2019 dazu, dass erstmals in der Geschichte dem Vorstand und Aufsichtsrat mehrheitlich das Vertrauen entzogen wurde. Die Klagewelle in den USA wegen Glyphosat ist noch nicht beigelegt und sorgt bei Anlegern weiter für Kritik. Insgesamt hat sich der Aktienwert des Unternehmens seit 2017 halbiert.
Das Bayer Beispiel könnte damit rein theoretisch zum abschreckenden Beispiel werden und dem Finanzsektor vorführen, dass unökologisches Handeln zum direkten Divestment führt – dem Abzug des Kapitals. Allerdings waren bei dem Merger amerikanische Finanzinvestoren u.a. Blackrock als Hauptinvestoren bei Bayer sowie Monsanto dabei. Dass jetzt auf offener Bühne ein Exempel statuiert wird, ist also eher unwahrscheinlich.