Kein schöner ‘Schland für den Natur-Garten
Der Garten ist in Deutschland ein häufiger Grund, dass der Haussegen schief hängt: Das Wiesenschaumkraut blühte auf der „Vorzeigefläche“. So nenne ich das Rasenstück, bei dem ich meinem Mann zugesichert hatte, es nicht verwildern zu lassen. Nun hat die Natur andere Pläne. Ich finde es schön, er holt den Rasenmäher.
Wenn irgendein Depp immer mäht
Reinhard Mey schaffte es mit seinem Song „Irgend ein Depp mäht irgendwo immer“ in die inoffiziellen Charts der Naturgartenfans. Der Deutschen Lieblingsbeschäftigung am Samstag war früher das Autowaschen und ist jetzt – im Zuge des Eigenheim-Booms – das Rasenmähen. „Damit alles ordentlich ist.“ Der Rasen fein manikürt, das Pflaster gekärchert, die Stauden gestutzt und kein (Un)Kraut im Beet. Mit der manischen Verteidigung der Gartenordnung verbringen die Deutschen einen großen Teil der freien Zeit, statt einfach zu genießen, was da so blüht. Der Gipfel der „Ordnungsliebe“ jedoch ist der sogenannte Schottergarten, bei dem einfach Steine statt Grün verwendet werden. Der ist teuer, heizt sich im Sommer besonders stark auf und ist aus ökologischer Sicht so wertvoll wie das ehemalige Reichsparteitagsgelände.
Ein gepflegter Garten erhöht den Wert des Hauses?
Ein nicht ausrottbarer Mythos ist, dass ein gepflegter Garten auf den Zustand einer Immobilie hinweist. Ein wilder Garten also eine Wertminderung darstelle. In der Stadt könnte das sogar stimmen: „In städtischer Lage könne der Zustand des Gartens beim Verkaufspreis einen erheblichen Unterschied von 10.000 bis 50.000 EUR ausmachen.“ Aber eben auch nur dort und eben auch nur in der Bewertung von 2015. Haben sich in den Städten seitdem die Grundstückspreise nicht exponentiell nach oben entwickelt? Dabei hängen die Bodenpreise nicht nur von dem sogenannte Bodenrichtwert ab, sondern auch von vielen anderen Faktoren. Der Garten kommt in dieser anderen Betrachtung übrigens nicht vor.
Mehr Wildnis wagen
Nicht nur im Garten, versuchen wir der Natur Zucht und Disziplin beizubringen. Dabei ist doch hier schon alles so aufgeräumt: Der Wald, die Land(wirt)schaft, die Parks, usw. Wie sonst hätte Deutschland das EU weit geforderte Wildnisziel 2020 so weit verfehlen können?
Wen wundert es dann, dass im Zuge dessen die Anzahl der Insekten so dramatisch zurück gegangen ist. Es war der Entomologischer Verein in Krefeld, der dies mit sorgfältiger Feldarbeit nachgewiesen hat:
Dabei ginge mit Gärten sooo viel mehr! Früher waren die Gärten eine wichtige Ressource für die Selbstversorgung: In den Städten wie auf dem Land. Heute dienen sie meist nur noch der Demonstration von „Ich kann es mir ja leisten“. Mit exotischen Pflanzen aus aller Welt (Neophyten) und daraus resultierenden aufwändigen Pflegemethoden. Klimaresistent sind diese Gärten auch nicht. So ist gerade der Buchsbaum Opfer des Klimawandels geworden, denn der gleichnamige Zünsler hat ihn vielerorts „auf Stock“ gesetzt.
Dabei könnten wir, wenn wir alle Vorgärten zusammen nehmen würden, die Fläche der Naturschutzgebiete und Nationalparks verdoppeln!
Das Gemetzel im Garten
Aber was tun wir? Wie blöde metzeln wir mit Fadenmähern und Mährobotern die heimische Flora und Fauna nieder.
Kommunen sind nicht besser und holzen instinktlos sogenannte Gemeindestreifen ab oder mähen Blütensäume bis ins Erdreich runter. Und entziehen damit unzähligen Vögel, Reptilien, Kleinsäugern und Insekten, Würmern und Schnecken die Lebensgrundlage. Hilfe von vermeintlich fachkundiger Seite ist auch schwer zu bekommen, denn offenbar gehören Biodiversität und deren Erhalt nicht zur Gärtnerausbildung.
…wenn das Laub fällt
Spätestens im Herbst aber sind alle guten Vorsätze, wenn es sie denn gab, wieder vergessen. Denn da liegt Laub! Außer dem „Ordnungssinn“ meldet sich bei uns Deutschen dann auch gleich die Vorsicht: Rutschgefahr! Umgehendes Handeln unumgänglich! Der Soundtrack des Herbstes ist mittlerweile das öde Jaulen der Laubbläser (nein, die Laubbläser sind keine Kapelle). Und jeder Gärtner, der was auf sich hält, trägt dieses Ding auf Höhe der Geschlechtsteile und richtet es phallusartig auf – alles. Der Hebst ist die Hochzeit der industriellen Gartenarbeiten: Mähen, Blasen, Sägen: stinkende Abgase inklusive.
Außer dem Laub, wollen viele auch gleich die Verursacher nieder machen, damit sie weniger Arbeit haben. Den Baum. Denn diese undankbaren Geschöpfe machen ja nur Arbeit, zu viel von allem: Laub, Früchten, Schatten. Oder die Wurzeln greifen unterirdisch nach Fundamenten, zerstören die Zuwegung, oder, oder, oder…. Damit müssen sie natürlich alle weg! Auch dieses besingt Reinhard Mey als Kettensägenmassaker.
Die wenigsten erkennen, dass die Bäume uns im Herbst geradezu beschenken. Das Laub lässt sich als Mulch auf die Beete aufbringen, oder falls zu viel, am Gartenrand aufhäufeln. Es bietet z.B. Käfern und Igeln eine Möglichkeit zum Überwintern, schützt vor Frost und speichert Feuchtigkeit. Und das Beste – es kostet nichts!
Einen wilden Garten „anlegen“
2020 gab laut einer Umfrage in der deutschsprachigen Bevölkerung ab 14 Jahre rund 36,07 Millionen Personen, die einen Garten besaßen oder deren Haushalt einen Garten hatte. Die Anzahl der Personen ohne Garten lag derweil bei 34,57 Millionen. Da ginge also wirklich was.
Leider ist es nicht so, dass sich ein „Vorzeigegarten“ durch Nichtstun in einen Naturgarten verwandelt, in Wildnis schon…. Und er braucht andere Geräte als Mähroboter, Heckenschere oder Vertikutierer: Wer hat denn schon eine Sense im Gartenhaus? Und wer kann damit umgehen? Auch ist es nicht für alle tolerabel, wenn dann außer Mäusen auch Maulwürfe und Kröten vermehrt auftreten und Nacktschnecken die mühsam gezogenen Wildpflanzen verspeisen. Zumindest in der Anfangsphase braucht es doch eine gehörige Portion Aufmerksamkeit.
Glücklicherweise gibt es erste Fachverbände, die uns BürgerInnen dort abholen, wo wir uns gerade aufhalten – im Garten: Da geht es nicht nur um „Schön anzusehen“, sondern auch um die ökologische Wertigkeit, oder Biodiversität. Der naturnahe oder Naturgarten sind dabei die Schlagworte und jeder „vernünftige“ GALA Bauer in seinem Katalog an Vorschlägen dabei hat.
Und es gibt auch kommunale Naturgärten, wie z.B. den in der Liebigstraße in Rumeln-Kaldenhausen , der durch die Duisburger Bürgerstiftung gefördert und von den AnwohnerInnen gehegt und gepflegt wird.
Wenn wir also mehr mit der Natur gärtnern, statt gegen sie, können wir nicht nur viel Zeit sparen, sondern tun auch aktiv etwas gegen den Klimawandel und vielleicht auch was für eine nette Nachbarschaft.
Vielen Dank an Daniel Martens, lilies ‘n birds für das schöne Titelbild. Inspiration Naturgarten pur!