Kein Reinwaschgang für Klimasünder– Greenwashing gesetzlich verboten
Wenn es nach der Deutschen Umwelthilfe (DUH) ginge, würde Greenwashing längst als Lüge bezeichnet. In dem Markt der Klimaversprechungen übertrumpfen sich die Anbieter mit vielen ökologischen Zusagen. Dabei werden häufig bekannte Produkte nur einfach anders platziert, ohne, dass sich grundlegend etwas geändert hat. Die DUH spricht von „Pseudo-Recycling“ bei angeblich umweltfreundlichen Verpackungen und deckt falschen Ökostrom auf.
Die Aussagen, was die Firmen alles machen, um ökologischer zu werden sind weit gefächert und für uns KonsumentInnen nicht zu erkennen. So behauptet Netflix „netto-nulll Emissionen“ zu erreichen bis 2022 , Nivea Creme nennt sich „klimaneutralisiert“ und Mercedes etabliert eine CO2 neutrale Lieferkette .
Doch Brüssel schläft nicht. Noch im März hieß es: „Die EU-Kommission plant ein Gesetz zum Verbot von Greenwashing. Künftig sollen Unternehmen ihre Produkte nur als klimaneutral oder umweltfreundlich bewerben dürfen, wenn dies wissenschaftlich belegbar ist.“ Das Gesetz wurde geräuschlos im Mai verabschiedet.
Und: Viele Verbraucherschützer freut dies und auch in den Fachmedien wird dieses Gesetz positiv aufgenommen.
Greenwashing halb so schlimm?
Dieses Jahr legte das Newclimate Institute einen Bericht über 25 große Unternehmen vor, in denen deren eigene Klimaversprechen nachgerechnet wurden.
Das Ergebnis ist mehr als ernüchternd: Insgesamt reduzieren diese 25 Firmen nur 20% ihres derzeitigen CO2 Fußabdruckes (2,7 Gt CO2 equivalente) bis zu ihren jeweils selbstgesteckten Zieledaten. Das ist viel zu wenig, um die Pariser Klimaziele auch nur annähernd zu erreichen!
Ist Greenwashing also nicht so schlimm? Und alle rechnen sich die Bilanzen schön? Bernward Geier erzählte uns (als wurstend Redaktionsteam) 2021, dass sich etwas Greenwashing im LEH nicht verhindern ließe. Und Ines Imdahl (Rheingoldsalon, Marktforscherin) erläuterte in einer Veranstaltung des IKW 2023 sogar, Verwenderinnen seien toleranter geworden und würden Greenwashing den Unternehmen nachsehen. – Also ich nicht!
Eine Forderung, die ich als Verbraucherin habe, ist, dass ich bei den Anbietern darauf vertrauen möchte, dass sie mir die Wahrheit sagen. Wir erinnern uns? Das rewe-Nachhaltigkeitsversprechen bei Joghurt?
Werden Konzerne selbst betrogen?
Ein wichtiges Mittel, um seine eigene CO2 Bilanz aufzuhübschen, ist der Erwerb von CO2 Zertifikaten. Man kauft diese einfach über eine zertifizierte Vermittlungsstelle.
Das Geschäft mit dem organisierten Greenwashing-Betrug recherchierten JournalistInnen der Zeit und deckten die schädlichen Machenschaften in einem Bericht auf. Auf dem sogenannten Kompensationsmarkt kann man für Emissionen, die sich vor Ort nicht einsparen lassen, dieses von jemand anderem erledigen lassen. Das können Waldschutz-Zertifikate sein oder Aufforstungs-Projekte. Problem nur: Häufig gibt es diese Flächen gar nicht, oder sie werden mehrfach verkauft.
Viele große Streamingdienste sind hier den Betrügern auf den Leim gegangen. Netflix versuchte seine gestiegenen Emissionen durch wertlose Waldschutz-Zertifikate zu kompensieren. Das netto-null-Versprechen hat sich damit in Luft aufgelöst.
„Opfer“ sind viele rennomierte labels wie Gucci oder Zalando. Es ist eine Methode der systematischen Manipulation, bei dem die Zertifizierer selber mitspielen. Wie ein organisiertes Verbrechen gegen die Umwelt.
Andere Regeln für den Kosmetikmarkt?
Wir VerbraucherInnen wissen ja, dass in der Kosmetik die Versprechen häufig größer sind als das Resultat, aber beim Klimaschutz? Nivea gibt sich progressiv und verspricht den VerwenderInnen, auf das Klima zu achten. Dabei ging es gar nicht um Produkte, wie Nivea men climate care, sondern um die Verpackungen. Dort behautet der Konzern, die Produkte „klimaneutralisiert“ zu haben. Doch gerade in der Kosmetik gilt „you are what you claim“ und das sollten die Hamburger doch wissen, oder? Genau, die Deutsche Umwelthilfe, die sich auch schon juristisch für Dieselfahrverbote eingesetzt und den Dieselskandal aufgedeckt hat, hat Beiersdorf verklagt – wegen Greenwashing. Etwas zu behaupten, was sich nicht nachweisen ließe – eben genau das, was das EU Gesetz auch fordert – hatten die Beiersdorfer gemacht. Und den Prozess mit einer Unterlassungserklärung beendet. Dem Manager Magazin war das im Juli eine entsprechende Würdigung wert.
Verkehrswende im Klimaschutz?
Eines der wichtigsten Industriegüter Deutschlands ist das Auto. Deswegen will die Politik auch nicht so richtig ran an die Klimasünder. Der Wohlstand! Nun also verspricht Mercedes, die gesamte Lieferkette umzukrempeln und voll aufs Elektroauto zu setzen. 2039! Moment erst dann? Sollten Verkehrswende und Klimaziele nicht schon viiiel früher erreicht sein?
Die Grünen haben schon vor ihrer Regierungsbeteiligung eine Studie in Auftrag gegeben, in der der Automobilindustrie „Luft nach oben“ attestiert wird.
Ähnliches fordert der BUND und weist darauf hin, dass auch zukünftige Fahrzeuge sparsam und recyclierbar im Sinne eines C2C Konzeptes sein sollen.
Bei der Produktion von Autos aber hat die Realität den Wunsch nach Reduktion schon eingeholt. Durch die teuren Energiepreise sind die Produktionskosten enorm gestiegen und der Verkauf ist rückläufig. Möglicherwiese sind die Autobauer pleite bevor sie klimaneutral sind.
Greenwashing betrifft alle Industriezweige
Greenwashing als Form der Verbrauchertäuschung ist offensichtlich ein großes Problem, das in Teilen aussieht wie organisierte Kriminalität. Es ist gut, dass die EU jetzt verbindliche Regeln aufgestellt hat, mit denen sich diese Form des unlauteren Wettbewerbs, der ja gleichzeitig ein großes ökologisches Verbrechen ist, ahnden läßt.
Es ist gut, dass Umweltorganisationen, VerbraucherschützerInnen und andere die Greenwashing Fälle sammeln und öffentlich anprangern.
Doch machen wir uns nichts vor. Auch wir selbst unterliegen vielfältigen Methoden der Selbsttäuschung. Diese sind zum Teil wichtig, um unser Selbstbild und Selbstwirksamkeit aufrecht zu erhalten. Auslöser sind meistens kognitive Dissonanzen, bei denen verschiedene Wahrnehmungen, Gedanken, Einstellungen, Wünsche oder Absichten, die nicht miteinander vereinbar sind. Dass Greenwashing funktioniert, liegt also zum Teil auch an uns selbst.
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