Das Rewe Bio Joghurt Getrickse: Glas gegen Plastik
Erinnern wir uns an die Mauscheleien mit der Packungsgröße im Lebensmittelhandel und daran, dass vegane Joghurts generell in kleineren Verpackungen verkauft werden als die tierischen Alternativen.
Jetzt kommt noch ein dreisterer Coup hinzu. Das gleiche Produkt in unterschiedlichen Verpackungen verkaufen und den Verbraucher für die Nachhaltigkeit zahlen lassen. Hallo Rewe, ja Ihr seid gemeint!
Nachhaltigkeit im Konjunktiv
Rewe hat eine Webseite, auf der sie uns VerbraucherInnen Tipps geben, wie wir nachhaltig einkaufen können. Und das steht da zum Thema Plastik versus Mehrwegglas.
Hört sich toll an? Denkste. Denn im Markt stellt es sich folgendermaßen dar.
Der Bio Joghurt Eigenmarke Rewe mit 3,8% Fett kostet im Plastikbecher 0,89 € (24.2.22) und der gleiche Joghurt im Glas 1,39 € plus Pfand. Wenn wir mal das Pfand außer acht lassen – 50 Cent Unterschied. Oder in Prozent ausgedrückt: Im Glas ist das Produkt 50% (in Zahlen Fünfzig Prozent nicht nur Cent) TEURER! Läßt sich Rewe sein Nachhaltigkeitsverspechen von uns Kundinnen vergolden?
Mir war bei einer Internetrecherche diese Diskrepanz aufgefallen und so ging ich zu „meinem“ Rewe Markt, um das zu überprüfen. Stimmt. Nahm beide Joghurts aus dem Schrank und fragte eine Verkäuferin, ob ich den Marktleiter sprechen könnte.
Der Weg durch die Rewe Instanzen – Transparenz und Kompetenz?
Besagte Dame war gerade dabei die Regale mit Gemüse zu bestücken und wollte detailliert wissen, was ich den nun wolle. Als ich sie auf die Preisdifferenz der Joghurtprodukte ansprach, wußte sie gleich Bescheid und zählte auf, dass Glas ja viel teurer sei usw. Die Marktleitung, bitte. Anstelle der Marktleiterin kam die Abteilungsleiterin, ich war überrascht, es ist die Frau, die bei meinem Eintritt in den Markt noch damit beschäftigt war, den Boden zu fegen. Ich zeigte ihr beide Produkte und fragte: “Da ist doch dasselbe drin, oder?” Sie schaute auf die Deklaration und nickte. “Und warum ist das Produkt im Glas nun 50 Cent teurer als im Umwelt schädlichen Plastik?” Da schaute sie noch mal auf die Produkte und meinte, die wären eben doch nicht gleich. Holzauge sei wachsam! “Ja, aber eben haben Sie noch bestätigt, dass der Inhalt gleich ist.” Es war Zeit für den Markleiter, endlich. “Schön, dass Sie da sind.” Ja und er hätte ähnliches schon öfters gehört. Aber leider sei er für die Preisgestaltung in seinem Markt nicht verantwortlich, das mache die Zentrale. Und er könne mich verstehen, auch er versuche umweltbewußter zu leben. Toll, dachte ich und nun?
Ich könne ja in der Zentrale anrufen.
0231250800 – Herzlich willkommen im Dienstleistungszentrum der Rewe Dortmund
Freitag Nachmittag 25.2.22, der Anruf gestaltet sich schwierig, nach der Ansage ertönt das Besetztzeichen. Ein Trick? Statt eines Musikjingels das Besetztzeichen einspielen? Mein dritter Versuch war dann erfolgreich. Ein Herr Eigenberg nahm meinen Anruf entgegen.
Oh ja, von diesem Problem hätte er schon mal gehört. Toll! Und, was sagt Rewe dazu, das identische Produkt in unterschiedlichen Verpackungen zu derart unterschiedlichen Preisen zu verkaufen?
Es kam das erwartete:
- Glas sei eben teurer in der Herstellung
- Die Gläser müssten gewaschen werden
- Der Transport sei aufgrund des Gewichtes auch teurer
- Es könnten weniger Einheiten pro Palette ausgeliefert werden
Ich räusperte mich kurz und sagte zu Herrn Eigenberg, dass mit diesen Argumenten Rewe seine Probleme zu meinen machen würde und das könnte ich nicht akzeptieren. Schließlich wüßten sie doch, wie sie ihre Produkte und Margen kalkulieren.
Was ich denn vorschlagen würde, fragte er. Das Produkt in der Plastikverpackung genauso teuer anzubieten, wie das im Glas. Pfand könnte man extra machen. Und dann konterte er mit dem Totschlagargument, das ja auch bei veganer Ernährung immer wieder gebraucht wird. Die sozial schwachen könnten sich das nicht leisten. Hallo Rewe, die sozial schwachen kaufen bei Netto. Abgesehen davon, dass Ihr auch hier unterschiedliche Probleme – nämlich geringeres Einkommen mit dem Umweltschutz – vermischt, kann ich mit meinem Einkauf niemanden anders unterstützen als Euch.
Wir waren am Ende der Debatte angelangt, und, damit es noch einigermaßen friedlich auseinanderging, bat ich Herrn Eigenberg, mein Anliegen weiter zu leiten. So ganz offiziell als Redakteurin des online Magazins wurstend.
Rewe Zentrale – Köln
Den Termin hatte ich mir vorgemerkt für Montag Mittag, nach meiner Arbeit. Zwischenzeitlich mit meiner Redaktionskollegin telefoniert, die sagte aber in Dortmund ist doch gar nicht die Zentrale, die ist in Köln: REWE GROUP, Domstraße 20, 50668 Köln Tel: +49 221 149-0
Rewe ist ein klassisches Deutsches Unternehmen, zumindest, wenn man sich die Führungskräfte ansieht. Der Vorstand – Männer, die Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitgeber Seite – 10 Männer, die Aufsichtsratsmitglieder der ArbeitnehmervertreterInnen: 3 Frauen und 7 Männer. Damit sind noch nicht mal die Standards erreicht, die schon lange für Aktiengesellschaften gefordert werden. Aber wir wissen ja, Lebensmittelkonzerne haben ihre eigenen Regeln. Aber mit wem sollte ich sprechen oder schreiben? Wenn dann doch gleich an den Vorstand, Verbraucherverarsche ist ja kein Kavaliersdelikt.
Mitmachaktion – schreibt auch an den Rewe Vorstand!
Das mit dem Joghurt ist Euch auch schon aufgefallen? Oder noch was ganz anderes, was sich nicht mit den Versprechungen der Rewe Group zusammen bringen läßt? Dann schreibt auch an den Vorstand:
Lieber Herr Souque,
ich möchte Ihnen helfen. Denn vielleicht haben Sie es gar nicht bemerkt. Als Rewe Gruppe veröffentlichen Sie auf Ihrer Webseite Statements, wie wichtig Ihnen Nachhaltigkeit ist. Im Markt setzten Sie es nicht um.
Ich beziehe mich hier konkret auf den Fall der Rewe Eigenmarke Bio Joghurt 3,8%, den Sie sowohl im Glas als auch im Plastikbecher verkaufen. Am 24.2.22 stellte ich in meinem Markt, Mülheim Düsseldorfer Str. 365 fest, dass die Produkte einen Preisunterschied von 50 Cent aufweisen (ohne Pfand, falls Sie das fragen wollten). Der ökologisch schlechtere Plastikbecher ist der billigere.
Da ich Ihnen nicht unterstellen will, dass sie sich von den VerbraucherInnen Ihr Nachhaltigkeitsversprechen vergolden lassen wollen, erklären Sie mir doch bitte diese Diskrepanz zwischen Nachhaltigkeitsversprechen und Marktauftritt.
Aber nur vorneweg, die Argumente, wie teuer Glas – in Produktion, Transport usw.- ist, hat mir Herr Eigenberg aus dem Dienstleistungszentrum Dortmund am 25.2.22 schon genannt. Und ganz ehrlich Herr Souque, das kann doch nicht Ihre Argumentationslinie sein, um uns KundInnen das nachhaltige Handeln zu erleichtern? Nur zur Erinnerung, Sie haben es in Ihre Firma durchgerechnet und wollen 29 Tonnen Plastikmüll einsparen. Sicherlich wissen Sie, wie man Margen und Gewinn kalkuliert – aber auf Kosten der Umwelt und der KundInnen?
Es kann ja aber durchaus sein, dass Sie von diesen Diskrepanzen gar nichts mitbekommen haben und möchten dem jetzt nachgehen. Bitte informieren Sie mich dann darüber, wie sie das Problem lösen wollen.
Herzlichen Dank
P.S. es dauert
Zwei Wochen nach Absenden meines Schreibens hat sich noch niemand von der Rewe Group bei mir gemeldet. Und auch die Weiterleitung meines Begehrens durch die Dortmunder Service Zentrale hat noch keine Früchte getragen. Telefonisch war Herr Souque am 14.3.2022 nicht erreichbar. Aber vielleicht meldet er sich ja noch? Ich halte Euch auf dem Laufenden.
16. März: Nach veschiedenen Anläufen, genervten Telefonistinnen in der Telefonzentrale, die über homeoffice Pflicht und technische Einschränkungen klagen, werde ich zu Herrn Escher weiter geleitet. Er findet mein Schreiben und teilt mir mit, er würde noch mal bei der Fachabteilung “Molkerei” nachfragen.
25. März: email Posteingang Antwort von Herrn Esser, der gleich zu Beginn seines Schreibens feststellt, die Marge für beide Produkte sei dieselbe. Nur, damit wir nicht auf die Idee kommen, wir würden verarscht, juristisch gesehen. Zitat: “Wir möchten zu Beginn festhalten, dass es bei unserem REWE Bio Joghurt 3,8 % Fett (Glas und K3 Plastikbecher) weder ein Problem beim Preis noch Diskrepanzen in puncto Ökologie gibt.”
Was dann danach kommt macht mich zunächst sprachlos und dann fassungslos. Herr Esser erklärt mir lang und breit wie umweltschädlich wiederverwertbare Glasverpackungen sind. Zitat: “Glas ist im Lebensmittelbereich auch nicht unbedingt eine ökologische Verpackungsalternative, weil es unter Berücksichtigung des gesamten Lebenszyklus gegenüber Plastik deutlich mehr Ressourcen verbraucht und klimaschädliche Emissionen freisetzt. Und in der Umwelt überdauert Glas tausende Jahre, wenn es – was oft vorkommt – eben nicht über Pfandsysteme in die Wertstoffkreisläufe zurückgeführt wird, sondern leider im Müll oder der Natur landet.” Ja, aber das Umweltversprechen? Denke ich und gehe erneut auf die Webseite der Rewe Group. Das Umweltversprechen mit der Einsparung von 29 Tonnen Plastik ist weg!
Rewe macht sich nen schlanken Fuß.
Und ganz ehrlich – wird denn auch der gesamte Lebenszyklus der Plastikverpackung mitgedacht? Die Plastikverpackung ist dabei ja noch nicht mal sortenrein, sonder besteht aus drei Teilen, wie der Name “K3” ja auch schon sagt. Den Plastikbecher, die Pappbanderole und den Aludeckel. Diese drei Teile “dürfen” wir Verbraucherinnen selber trennen und getrennt entsorgen, kostenfrei – für Rewe – natürlich. Die Entsorgungskosten des gelben Sackes? Mitgerechnet? Ja, wenn man bei der Glasverpackung jedes Fitzelchen mit einbezieht, muß man bei Plastik auch die kommunale Müllentsorgung mitrechnen, oder? Und wenn Herr Esser schon darauf hinweist, dass Glas in der Umwelt entsorgt wird – versehentlich – wie ist das dann mit dem Plastikmüll, der absichtlich im Meer verklappt wird? Ja, Glas überdauert viele 1000 Jahre, denn Silikate sind, wer hätte das gedacht, ein Bestandteil der Erdkruste. Sie werden auch nicht versehentlich von Tieren gefressen oder aggregieren auf ihren Oberflächen schädliche Chemikalien. Plastik, muß ich es wirklich noch mal erwähnen? https://wurstend.net/magazin/nachhaltigkeit/wie-plastikfrei-gehts-eigentlich/ ist eine der größten Bedrohungen unserer Erde.
Letzendlich zeigt mir das Schreiben von Rewe, dass man die Öko-Dimension der Verpackungen nicht sehen will oder kann. Eine juristische Absicherung und das Frisieren der Webseite ist wichtiger als ein ehrlicher Umgang mit der Materie. Die Antwort ist im Wesentlichen das “cover my ass” Gewäsch, dass üblicherweise aus der Industrie kommt. Zitat: “Wenn man bei der ganzheitlichen Betrachtungsweise (Lebenszyklus und Wertschöpfungskette) bleibt, ist es sogar oftmals so, dass ab einer bestimmten Entfernung zum Produktionsort der Plastikbecher in seiner CO2-Bilanz besser als das Glas abschneidet.” Die CO2-Bilanz ist nur einer der Umweltaspekte, die es zu betrachten gilt. Den Lebenszyklus eines Produktes nur auf diesen Aspekt zu reduzieren, ist zu kurz gedacht. Gerade auch, wenn man sich ansieht, wie unsere Industrie von fossilen Energieträgern abhängt und Kunstoffe in der Regel ein Produkt aus diesen Rohstoffen gemacht sind. Glas sollte wieder den Stellenwert erhalten, den es verdient. Ja, die Herstellung ist teuer, aber die Wiederverwendung, die Reduktion des Müllaufkommens, die deutlich geringere Belastung der Umwelt, das sind doch Argumente, die betrachtet werden sollte. Bis dahin? Liebe Rewes macht Euch doch wirklich mal ehrlich! Betrachtet nicht nur Lebenszyklus und Wertschöpfungskette, sondern vielleicht auch mal Müllvermeidung und C2C Regeln. Fragt Euch auch, wo spart Ihr selber Kosten, weil die von der Allgemeinheit getragen werden und welche blinde Flecken gibt es denn noch?
Bildnachweis
Titelbild: Melanie Stegemann
Abbildung 1: Statement auf der Rewe Group Webseite
Abbildung 2: Ghita Lanzendörfer-Yu
Anne
19/07/2022 @ 17:20
Wenn der Bericht über solche Recherchen nur nicht ganz so reißerisch/’Überall muss Frauenquote sein’ (obwohl btw viele viele Frauen die Jobs einfach eher nicht machen wollen, als eben Männer) – mäßig wäre, mit “öfter” statt “öfters” und einem “das” statt “dass” (relativ am Ende), wäre er wirklich wirklich hammer:)) Gehe in diesen Themen auch auf, aber muss halt auch nicht immer so FeministenInnenzeug enthalten haben und dieses Rumgeschimpfe. Aber schön sind doch Berufe, die sich 8 Std am Tag mit Rewe-Erreichbarkeitsrecherchen beschäftigen:)) alles nicht böse gemeint. :)) LG
Daniel
20/07/2022 @ 14:52
Hallo Anne, schön, dass Sie der Artikel angeregt hat – solche Leser schätzen wir sehr. In der Tat empfinden wir es als Privileg und als Auftrag an unsere LeserInnen, uns 8 Stunden am Tag – auch mit Erreichbarkeitskriterien – zu befassen, dafür sind wir schließlich da. Und wir beobachten die Anstrengungen des Einzelhandels, nachhaltiger zu werden sehr genau und begrüßen diese. Eine kritische Nachfrage, wie weit es mit diesen Bemühungen gediehen ist, das ist freilich auch unsere Aufgabe und damit wollen wir die Bemühungen des ELH auf dem richtigen Weg und im Interesse der Kunden und der Umwelt unterstützen.
Andreas
02/08/2023 @ 12:11
01.08.2023
Der aktuelle Preis für den Joghurt im Glas liegt aktuell bei 1,39 € und hat sich damit seit anderthalb Jahren nicht verändert hat. Für den Preis für den Joghurt im Plastikbecher haben sich dagegen Änderungen ergeben: aktuell kostet er 1,15 € (01.08.2023) statt 0,89 € (24.02.2022), wie im Artikel angeführt.
Da der Inhalt im Plastikbecher und im Glas der gleiche ist und der Preis für den Joghurt im Glas sich seit anderthalb Jahren nicht geändert hat, müssen die Preissteigerungen beim Joghurt im Plastikbecher auf den Plastikbecher zurückzuführen sein, wobei 30% Steigerung für eine Einwegverpackung schon beträchtlich sind. Wie weit das mit dem Anspruch zu vereinbaren ist, dass REWE “grundsätzlich immer daran gelegen ist, wettbewerbsfähige und faire Preise zu bieten” kann jeder für sich beantworten.
Ghita
15/09/2023 @ 09:24
Hallo lieber Andreas,
vielen Dank, dass Du Deine Beobachtung mit uns teilst.
Eine Preissteigerung von 30% für Plastikverpackungen ist auch nicht durch die aktuelle Inflation und die Steigerung der Energiepreise zu erklären. Da wir ja mit rewe direkt im Kontakt standen, wurde auf letzterem besonders herumgeritten, um das teurere Produkt im Glas zu verteidigen. Dass dass nicht stimmen konnte, wird jetzt spätestens im Markt sichtbar.
LG Ghita