Nature Restoration Law – Schutz der Ökosysteme und Biodiversität in Europa
Bei aller Kritik an Europa und seinem bürokratischen Wasserkopf wird leicht übersehen, dass es etliche Verordnungen und Gesetzte gibt, die die Natur schützen sollen. Und! Die Mitgliedsstaaten der EU sind zur Umsetzung verpflichtet.
Ende 2019 wurde der European Green Deal beschlossen, der Europa bis 2050 klimaneutral machen soll und viele Zwischenschritte beinhaltet. Wie zB den Erhalt der Biodiversität und deren Ausweitung.
Man hat also vor etwa vier Jahren angefangen nicht nur etwas für den Schutz der Natur, sondern auch ihre Wiederherstellung zu tun. Im Februar 2024 wurde das Nature Restoration Law (NRL) endlich in Strasbourg verabschiedet. Viele NGOs, Ökoverbände und Naturschützerinnen haben in der Zeit einen heftigen Kampf, nicht nur um den Wortlaut des Gesetzes, sondern um die Verabschiedung überhaupt geführt.
Bestandsaufnahme – Naturschutz Gesetze in Europa
Es ist ja nicht so, dass wir nicht genügend Gesetze zum Schutz der Natur hätten. „Hier finden Sie Dokumente zum Umweltrecht“, sagt das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz Zu den klassischen Umweltgesetzen gehören das WHG (Gewässerschutzrecht), das BImSchG (Immissionsschutzrecht), das BBodSchG (Bodenschutz- und Altlastenrecht), das BNatSchG (Naturschutzrecht) und das KrWG (Abfallrecht).
Und in Europa geht es dann weiter: Die Vogelschutzrichtlinie , FFH Verträglichkeitsprüfungen und die Wasserrahmenrichtlinie.
Bei so viel Verordnungen, Richtlinien und Gesetzen denkt man, müßte doch alles bestens sein in Europa, oder? Alles blühende Landschaften, oder?
Leider nein. Ein kurzer Blick auf die Veränderung der Population von Wiesenschmetterlingen – als nur ein Beispiel – zeigt, dass wir kurz vor einer Biodiversitätskatastrophe stehen. Auch die Böll Stiftung spricht in ihrem Pestizidatlas von 2022 von einem ökologischen Armageddon.
Es ist also eigentlich weniger die Zeit für Gesetze als mehr die Zeit zum schnellen und grundlegendem Handeln.
Die Forderungen zum Schutz der Natur
Charles Eisenstein formulierte vier Kernpunkte zum Klimaschutz in einer Rede an XR 2019, die als Essay veröffentlicht im Buchhandel erhältlich ist. Sie gehen weit über die Reduktion von Treibhausgasen hinaus.
- Schutz aller verbleibenden Urwälder und anderer noch nicht geschädigter Ökosysteme
- Wiederherstellung und Regeneration der geschädigten Ökosysteme weltweit
- Schluß mit dem Vergiften* der Erde!
- Reduktion von THGs
* unter vergiften versteht Eisenstein alle Pesti-, Herbi- und Insektizide, Kunststoffe, Giftmüll, Schwermetalle, Antibiotika, elektromagnetische Strahlung, chemische Düngemittel, pharmazeutische Rückstände, Atommüll, andere industrielle Schadstoffe usw.
Dabei ist der Montreal Deal, der das Artensterben und die Zerstörung der Ökosysteme der Erde bis 2030 stoppen soll, erst Ende 2022 geschlossen worden. Unterzeichnerinnen sind fast alle Staaten der Erde. Sieht es damit nicht gut aus für die Biodiversität der Welt? Wieso braucht es denn dann noch mehr Gesetze?
Das Abkommen von Montreal ist dringend nötig, denn die Zerstörung unserer Lebensgrundlage schreitet mit großer Geschwindigkeit voran. Letztendlich ist es zu unserem eigenen Vorteil, denn durch die schwindenden Lebensräume und den Pestizideinsatz in der Landwirtschaft sinken die Zahlen der Bestäuber dramatisch. Wie stehen – weltweit – vor dem größten Artensterben ever.
Aber Ausgleichszahlungen für den globalen Süden allein werden das Desaster nicht abwenden. Wir müssen sozusgen vor unserer eigenen Haustüre beginnen.
Zaghafte (und damit völlig unzureichende) Versuche zum bessern Schutz der Natur gab es schon früher: Seit 2007 gibt es in Deutschland eine Biodiversitätsstrategie, die vorsah bis 2015 den Eintrag von Pestiziden in Böden und Grundwasser zu reduzieren (sic!). Danach kam 2013 ein Nationaler Aktionsplan und 2021 ein Insektenschutzpaket mit viel zu geringen Vorgaben, die von Fachleuten heftig kritisiert werden. Schärfere Schwerter werden derzeit in der EU geschmiedet. Denn offenbar reicht es nicht, wenn man sich in Paris, Montreal, Kyoto oder Rio einigt. Man muss die Verantwortlichen dingfest und klare Vorgaben machen…..
Nature Restoration Law (NRL)
Nun hat sich die EU nicht nur den Schutz, sondern auch die Wiederherstellung von natürlichen Gebieten (manche nennen es Wildnis, gemeint ist aber Biodiversität) auf die Fahnen geschrieben. Das klingt mit 20% der Land- und See- Gebiete weniger als die in Montreal verabschiedeten Ziele und wird sehr kleinteilig aufgeschlüsselt. Darunter fallen die Wiedervernässung von Mooren die Wiederaufforstung von Wäldern und deren Schutz, sowie der Schutz von Flüssen und Ozeanen. Klar zeichnet sich die Front ab, die an der Grenze zur Landwirtschaft verläuft. Unstrittig ist, dass wir zum Erhalt natürlicher CO2 Senken mehr für die Natur tun müssen und nicht nur urbane Räume, sondern auch landwirtschaftliche Flächen anders bewirtschaftet werden müssen.
Widerstände eingeschlossen
Als das NRL am 27.2.2024 in Strasbourg verabschiedet wurde, passierte es denkbar knapp das Parlament. Trotz massiver Ausnahmeregellungen für die Landwirtschaft, kam der größte Widerstand ausgerechnet von den Konservativen, geführt von Manfred Weber (CSU) und der Agrarlobby (wobei in diesem Fall wohl beide synonym zu gebrauchen sind). Diese fordern übrigens schon jetzt für die CAP 2028-2034 Periode höhere Ausgleichszahlungen. Tweet von RW am 5.3.2024. – Aber das ist ein anderes Thema….
Im Juni 2023 sagte Weber:
“To push through a law now, which will lead to lower [food] production, also according to the Commission, is not the right time … The EPP will vote against the bill … we need a new proposal to address the concerns,”
https://www.politico.eu/article/epp-manfred-weber-vows-vote-down-eu-nature-restoration-law-european-parliament/
Dabei wissen wir, dass weltweit nur ein Bruchteil der landwirtschaftlichen Fläche zum Anbau für Nahrungsmittel (Menschen) verwendet wird.
Was bringen Gesetze, die nicht eingehalten werden?
Man darf sich also fragen, welchen Sinn Gesetze haben, die zunächst verwässert und dann einfach umgangen werden. Da ist Raphael Weyland hingegen zuversichtlich. Er ist seit neun Jahren für den NABU als „Lobbyist“ in Brüssel. Er sieht zum einen die Kommission in der Überwachung und der Möglichkeit Strafgelder zu kassieren. Zum anderen geben die Gesetze den nationalen Umweltschutzvereinen die Möglichkeit, vor Ort Klage zu erheben. Dass das erfolgreich funktioniert, belegt sein eigener Werdegang bei der Klage gegen das Land Schleswig –Holstein gegen das Zuschütten des Mühlenberger Loches.
Die EU und der EuGH sind wachsam und verklagten Deutschland, das Wildnisziel nicht erreicht zu haben, und sie verklagt Deutschland auf zu hohe Nitratwerte im Grundwasser. Jährlich veröffentlicht die Europäische Kommission die Gesetzesverletzungen der europäischen Mitgliedstaaten. Und da ist nicht nur Deutschland in der Kritik. Aber Moment mal, sollten die europäischen Gesetze nicht umgesetzt werden? Darf man sich aus der Verantwortung „freikaufen“?
Hoffnung für Europa
Auch wenn das Nature Restoration Law und das Montreal Abkommen jetzt (eigentlich) überall gelten sollten, so sind die Bruchkanten schon jetzt sichtbar. Die (konventionelle) Landwirtschaft wird mit dem Verweis auf die Nahrungsmittelsicherheit der Bevölkerung – die eigentlich eine Gewinnsicherung des globalen Finanzsystems darstellt – weiter derartige Gesetze missachten.
Aufklären und Protestieren sind also die Aufgaben der nationalen Naturschutzverbände wie NABU, BUND und WWF, Greenpeace und weiterer Organisationen. Die auch schon in Brüssel konstruktiv an dem NRL zusammen gearbeitet haben. Ja, und auch der Klageweg, der ja von der DUH sehr erfolgreich verfolgt wird, wird hier wohl das Mittel der Wahl sein, um der Natur zu ihrem Recht zu vehelfen.
Der Weg zur Wiederherstellung aber wird lang und steinig. Und, ob welche Ziele bis 2030 umgesetzt werden können, bleibt mehr als fraglich. Angesichts der drohenden Veränderungen durch die Klimakrise ist mir die ablehnende Haltung der Konservativen und Liberalen komplett unverständlich.
Doch es bleibt Hoffnung, denn im Juni wird in Europa neu gewählt. Dort können wir denjenigen die Stimme geben, die sich bisher schon für die Ziele des green deals eingesetzt haben. Welche Personen und Parteien das sind läßt sich aus den Abstimmungsprotokollen des Parlamentes herauslesen: Zum Beispiel für den Sitzungstag 27.2.2024 in Strasbourg: dort lassen sich die namentlichen Abstimmungen einsehen. Das gilt natürlich auch für andere Anliegen. Aber hier kannst DU sehen, wie sich Deine Partei, Deine Abgeordnete im realpolitischen Leben positioniert.
Wahltag: 9.6.2024 Ja zu Europa!
Ihr wollt mehr erfahren zu #restorenature, dann schaut Euch doch das Interview mit Raphael Weyland an!
Weiterführende links
https://www.wwf.de/themen-projekte/biodiversitaet/nature-restoration-law
https://www.nabu.de/natur-und-landschaft/naturschutz/europa/33254.html
https://www.restorenature.eu/en
https://www.zeit.de/2023/48/eu-renaturierungsgesetz-landwirtschaft-moore
Bildnachweise
Titelbild: zusammengesetzt aus grass isolated on transparent background, by tohamina https://www.freepik.com/free-psd/grass-isolated-transparent-background_134302755.htm#fromView=search&page=1&position=35&uuid=422551bc-4747-47ab-a6be-3e3535467523, watercolor leaves isolated by freepik https://www.freepik.com/free-psd/watercolor-leaves-isolated_65676388.htm , circle leave isolated by juicy_fish https://www.freepik.com/free-vector/circle-leaf-logo_44471962.htm,
Abbildung 1 aus https://eur-lex.europa.eu/legal-content/EN/TXT/HTML/?uri=CELEX:52019DC0640
Abbildung 2 zusammengesetz aus https://flo.uri.sh/visualisation/14049721/embed?auto=1 und https://www.consilium.europa.eu/en/policies/nature-restoration/ und flying butterflies silhouettes https://www.freepik.com/free-vector/butterfly-silhouettes-swarm-background_3959170.htm
Abbildung 3 zusammengesetzt aus dem Bildmaterial aus https://iiasa.ac.at/news/sep-2020/bending-curve-of-biodiversity-loss und https://iiasa.ac.at/news/sep-2020/bending-curve-of-biodiversity-loss
Abbildung 4: https://www.facebook.com/quarks.de/photos/a.10150277013665564/10160588798725564/?type=3