Feuchtgebiete – Moore unsere stillen Klimahelden
Moore sind einzigartige Landschaften, die nicht nur eine mythische Bedeutung haben, sondern vor allem die Klimahelden der Zukunft sind. Nur mit ihnen werden die Klimaziele erreicht. Denn sie sind gigantische CO2-Speicher: Mit nur 3% Landmasse binden sie etwa ein Drittel alles gebundenen CO2. Aber nur, wenn sie nass sind und bleiben. Hier widme ich diesen Feuchtgebieten meine besondere Aufmerksamkeit. Dabei habe ich einen ganz persönlichen Bezug zum Moor, denn meine Vorfahren gehörten mit zu denen, die das Moor bei Buxtehude urbar gemacht haben und dort eine neue Heimat und ein Auskommen fanden.
Inhaltsverzeichnis
Landwirtschaftspolitik ad absurdum
Man darf sich schon fragen, wie blöd wir als Menschen sind. Statt die Vegetation und Böden als natürliche Klimaschützer zu nutzen und zu schützen, beuten wir sie aus und vernichten so unsere eigene Lebensgrundlage. Und, dann wird dieses Verhalten politisch auch noch gefördert mit zB EU-Agrarsubventionen. Dümmer geht’s nicht.
Wir unterwerfen (fast) alle Aspekte unseres Lebens ökonomischen Prinzipien und fordern speziell in der Landwirtschaft eine kontinuierliche Produktionssteigerung. Klimakrise zum Trotz.
Langsam hat ein Umdenken begonnen, dass wir auch Artenschutz auf Äckern brauchen und Rückzugsorte für die Lebewesen, die ihn bewohnen. Leider wird immer noch durch falsche Agrarsubventionen die intensive Bewirtschaftung großer Flächen und die Massentierhaltung gefördert, obwohl wir wissen, wie schädlich das ist.
Die Ökonomisierung der Landwirtschaft führt zu einem steigenden Flächenbedarf, dem der Wald und die Moore zum Opfer fallen. Und ja, es ist die Tierhaltung, die entweder als Weide „Intensivgrünland“ oder zum Anbau von Silomais Mooräcker bevorzugt.
Gerade bei trocken gelegten Mooren ist der Ausstoß von Treibhausgasen enorm, wenn dann noch sogenanntes Intensivgrünland hinzu kommt, auf dem die empfindlichen Milchkühe grasen, landen die Emissionen im Bereich fossiler Energiekonzerne. Extensive Rinderhaltung dagegen auf Nicht-Moorböden kann dagegen positive Auswirkungen im Artenbestand haben. Allerdings ist das für polemisch getrimmte Anhängerinnen der Bauernschaft nicht immer ganz klar zu trennen.
Moore weltweit eine unbeschreibliche Vielfalt
Über den Wald haben wir bei wurstend in den vergangenen Jahren immer wieder berichtet. (Vom Holzweg , über den Wald meiner Kindheit bis hin zum Kettensägenmassaker). Moore finden sich, wie der Wald, überall auf der Welt. Ihr typisches Erscheinungsbild: nass, dauernass. Häufig beherbergen sie eine einzigartige Flora und Fauna, und kein Moor gleicht dem andern. Wir finden Moore in polaren Regionen, in gemäßigten Zonen und sogar in den Tropen. Dort sind Regenwald und Moor häufig kombiniert.
Der NABU schätzt die weltweiten Moorflächen auf ca 3% der gesamten Landfläche. Die größten – fast noch unberührten – Moorflächen liegen in Russland. Man schätzt, dass von den 136 Millionen Hektar Mooren noch etwa 65% intakt sind. Allerdings bergen die schon entwässerten Flächen ein hohes Risiko von Torfbränden.
Das Bundesumweltministerium beteiligt sich an Initiativen, Moore zu schützen. Das ist auch dringend geboten, denn ohne dieses Engagement sind die Klimaziele nicht zu erreichen.
Moore in der Kunst
Es sind Erzählungen über Irrlichter, heimtückische Morde und Moorleichen, die viele Jahrzehnte fast unversehrt überdauern. Im Moor ist es neblig, unheimlich, wer vom Weg abkommt, kann versinken. Schauergeschichten haben häufig das Moor zum Inhalt. Dabei wurde bei der Urbarmachung vor allem der Torf abgebaut, der immer noch in vielen Landstrichen als DAS Heizmaterial verwendet wird. Die Verwendung als Blumenerde ist eher neumodisches Zeugs. Erst als KünstlerInnen sich aufmachten ins Moor, um das Leben der einfachen Leute zu dokumentieren, kam auch das Bild dazu. Die bekanntesten KünstlerInnen sind sicherlich die aus der Worpsweder Künstlerkolonie. Es sind Namen wie Modersohn und Moderson-Becker, Mackensen, Overbeck oder Vogeler. Sie dokumentierten mit ihren Bildern die Torfgewinnung, den Alltag und die strenge Schönheit der Landschaft.
Die künstlerische Freiheit der Worpsweder KünstlerInnen beeindruckte auch Helmut Schmidt damals tief. Vielleicht war das Moor – mehr noch als der Wald – ein Rückzugsort für kritische DenkerInnen.
Historische Entwicklung der Trockenlegung in Deutschland
Wir müssen mal darüber sprechen. Denn Moore fallen ja nicht einfach so trocken, genauso wenig wie Wald einfach umfällt. Es sind menschliche Aktivitäten, die erst dazu führen. Darin sind wir ziemlich gut. In Deutschland wurden erst in den vergangenen Jahrhunderten systematisch Moorflächen entwässert.
Durch den 30jährigen Krieg (1618-1648) war die Bevölkerung Deutschlands erheblich dezimiert worden. Schätzungen gehen von 35 bis 40% aus. Diese Verluste waren erst etwa 1700 ausgeglichen. Es erfolgte ein stetiger Bevölkerungszuwachs, so dass 1750 etwa 16 bis 18 Millionen Menschen in Deutschland lebten. Das erhöhte den Druck auf die landwirtschaftlich nutzbaren Flächen. Zum Beispiel widmete sich das Kurfürstentum Hannover in der zweiten Jahrhunderthälfte der Verbesserung der wirtschaftlichen Verhältnisse. 1751 wurde Jürgen Christian Findorff als Moorkommissar berufen und erschloss und kolonisierte das Teufels- wie Hellweger Moor bei Bremen. Das waren zumeist unbewohnte Flächen zwischen Wümme, Hamme und Oste. Zwischen 1720 und 1820 erfolgten dort etwa 70 Dorfgründungen.
Eine wichtige Maßnahme der Entwässerung war auch der systematische Torfabbau.
Die Erschließungen, also das Anlegen von Gräben zur Entwässerung und dann der Ackerbau waren keine leichte Sache und es galt der Spruch: Den ersten der Tod, den zweiten die Not, den dritten das Brot. Das bedeutete, dass erst in der dritten Generation, Ertrag erwirtschaftet werden konnte.
So wie im Teufelsmoor wurden auch in anderen Regionen Moore „kolonisiert“. Was früher harte Arbeit war, erledigen heute Maschinen. Die Moorzerstörung dabei ist immens und wird schon lange angemahnt.
Entstehung von Mooren – ein Jahrtausende dauernder Prozess
Anders als ein Wald entsteht ein Moor nicht in wenigen Generationen. Moorbildung ist ein SEHR langwieriger Prozeß. Die Bildung der Moore in Europa begann nach der letzten Eiszeit, also etwa vor 12.000 Jahren. Das Klima erwärmte sich, die Niederschläge nahmen zu und durch die schmelzenden Gletscher war insgesamt viel Wasser vorhanden. Senken und Niederrungen standen unter Wasser. Pflanzen, die abstarben wurden in den feuchten Gebieten durch Sauerstoffmangel nicht vollständig zersetzt, sondern in Torf umgewandelt. Diese Torfschicht nimmt etwa 1 mm / Jahr zu .
Außer Nieder- und Hochmooren gibt es eine Vielzahl unterschiedlicher Moortypen, deren Bildung von vielen Faktoren abhängt.
Bodenschutz und Humusaufbau
Wikipedia bezeichnet Humus als „dark organic matter“ – Schwarze, organische Materie. Am Aufbau von Humus sind viele Mikroorganismen beteiligt: Bakterien und Pilze.
Carl Albert Weber versuchte 1901 eine Definition von Torf, Humus und Moor zu erarbeiten mit dem Ziel, eine klare Beschreibung von „Moor“ geben zu können, die dann entsprechend kartiert werden sollten. In den Jahrzehnten zuvor wurden Moore als „eigentümliche Wasseransammlungen“, „ein Verein lebender Pflanzen“ oder „Sitz mächtiger Torfablagerungen“ beschrieben. Aus heutiger Sicht hört sich das ganz vernünftig an. Weber wollte jedoch die Unterscheidung von Torf und Humus herausarbeiten.
Humusaufbau und Kohlenstoffspeicherung sind große Herausforderungen in der modernen Landwirtschaft. Denn durch die intensive Bodenbearbeitung gehen jährlich große Mengen Boden verloren. Der Klimawandel tut sein Übriges, die Prognosen sind finster.
„Böden sind im Kampf gegen den Klimawandel unsere wichtigsten Verbündeten: Sie speichern mehr Kohlenstoff als die gesamte oberirdische Vegetation und die Atmosphäre zusammen. Die Art des Bodens, die Vegetation und das Klima haben einen Einfluss darauf, wie der Kohlenstoff gespeichert wird.“ So steht es in der Sonderbeilage der Zeit 2022 „seventeen goals“. Außer einer fruchtbaren Humusschicht, haben unterschiedliche Böden verschieden große Fähigkeiten, Kohlenstoff zu speichern.
Ackerland ist vergleichbar mit Wüsten, jedenfalls in der Kohlenstoff-Speicherung. Am effektivsten sind Feuchtgebiete, also Moore. Damit die Speicherfähigkeit erhalten bleibt, werden diese Gebiete im Nasszustand dringend benötigt. Beim Trockenlegen werden aus den Speichern CO2 Emittenten, die den Klimawandel noch stärker befeuern. Insgesamt sollten wir aber mit allen Böden achtsamer umgehen.
Moore Renaturierung
Wurde ein Moor erst einmal trockengelegt, ist seine Funktionsweise verloren. Von einem CO2 Speicher mutiert es zu einem THG Emittenten. Je trockener desto Klima schädlicher (Abb. 8). Das Wiedervernässen ist die wichtigste und letztendlich einzige Maßnahme, um trockene Moore zu renaturieren. Allerdings ist dies nicht ganz einfach und lange nicht so gut wie ein Feuchtgebiet im Originalzustand. Bis renaturierte Moore wieder zu CO2 Senken werden, dauert es viele Jahre.
Trotzdem ist Eile geboten, denn nur mit der Wiedervernässung lassen sich die Klimaziele bis 2050 überhaupt einhalten. Der Klimawandel selber hat jetzt schon großen Einfluss auf die Feuchtigkeit in den Böden. In einigen Landstrichen Europas ist schon jetzt der Boden viel zu trocken.
Moorschutz ist ein wichtiger Aspekt des Erhaltens der Feuchtgebiete. Zweite Wahl ist die Renaturierung, die aber engmaschig begleitet werden muss, da es einen sehr sensiblen Gasaustausch von Moor und Atmosphäre gibt (Abb: 8). Bis ein Moor wieder intakt ist, müssen sensible Pflegemaßnahmen durchgeführt werden, bei denen zB auch kleine Schafrassen zum Einsatz kommen. Aber auch wieder vernässte Moore sind nicht einfach nur nass, auch auf ihnen kann Landwirtschaft betrieben werden. Paludikultur.
Titelbild – Moore im 18. Jahrhundert
Ausschnitt einer Karte der Kurhannoverschen Landesaufnahmen aus dem 18. Jahrhundert. In der Zeit von 1764 bis 1786 wurden Landvermesser in alle Landesteile geschickt. Akribisch dokumentierten diese nicht nur die Siedlungen – zum Teil wurde jede Hütte aufgezeichnet – sondern auch die verschiedenen Landschaftstypen. Auffällig ist, wie viele Moore es zu dieser Zeit noch gegeben hat.
Weiterführende links
Succow-Stiftung https://www.succow-stiftung.de/moor-klima/pencil
Mooratlas Heinrich-Böll-Stiftung https://www.boell.de/de/mooratlas
Humusbildung: https://www.sciencedirect.com/topics/earth-and-planetary-sciences/humification
NABU https://www.nabu.de/natur-und-landschaft/moore/index.html
BUND https://www.bund.net/themen/naturschutz/moore-und-torf/
Greifswald Moor Centrum https://www.greifswaldmoor.de/wissenschaft.html
Bundesamt für Naturschutz https://www.bfn.de/handlungsbedarf-zum-moorschutz
Bundesumweltministerium https://www.bmuv.de/themen/naturschutz-artenvielfalt/naturschutz-biologische-vielfalt/moorschutz
Fachagentur für nachwachsende Rohstoffe: https://www.torffrei.info/presse/genutzte-moore-kleine-flaeche-grosse-klimawirkung
Thünen Institut https://www.thuenen.de/de/institutsuebergreifende-projekte/moorschutz-in-deutschland
Touristische Ziele Röhn: https://www.biosphaerenreservat-rhoen.de/natur/lebensraeume-tiere-und-pflanzen/lebensraum-wasser-und-moore
Touristische Ziele Kehdinger Land: https://www.nordkehdingen.de/files/web/NaturKultur/index_htm_files/Kehdingen-Pulte-27.pdf
Österreichisches Archiv über zoologische und botanische Veröffentlichungen https://www.zobodat.at/search.php?q=moore