Unser täglich Brot – wie UPFs unsere Gesundheit gefährden
Ultra hoch verarbeitete Lebensmittel, im Englischen Ultra-high processed foods (UPFs) stehen in der Kritik. Sie werden industriell hergestellt, enthalten häufig Inhaltsstoffe, die wir zu Hause nicht verwenden würden und durchlaufen im Herstellungsprozess mehrere Stufen. Bestes Beispiel ist das Kulturgut Brot.
Während wir uns bei Brot sicherlich einig darüber sind, dass es etwas sehr sinnvolles ist, ist es bei den anderen Produkten der UPFs nicht unbedingt so: Soft Drinks, Chips, Süßigkeiten, Fast Food oder Energieriegel. Außer, dass sie viel Salz, Zucker, gesättigte Fettsäuren oder anderes enthalten, fehlen ihnen häufig essentielle Mikronährstoffe.
Wichtige Ernährungsforscher
Mit der Untersuchung von Lebensmitteln beschäftigen sich viele WissenschaftlerInnen. Zwei von ihnenhaben sich ausgiebig mit UPFs beschäftigt, wieviel wir davon konsumieren und wie eine Kennzeichnung für VerbraucherInnen aussehen könnte. Aus Frankreich kommt Anthony Fardet, der Professor Université Clermont Auvergne (FR) und Senior Researcher am INRAE ist. Er setzt sich schwerpunktmäßig mit dem Thema UPFs, der Ernährung und Gesundheit allgemein auseinander. In Brasilien forscht Carlos Monteiro, Professor emeritus Sao Paulo (BR) zu diesem Thema und hat dabei besonders seine brasilianischen Landsleute im Auge. Er hat den NOVA Score maßgeblich mit entwickelt.
Die Gegner
Ja, wer hätte das gedacht? Noch bevor wir ins Thema inhaltlich einsteigen, sollten wir uns vor Augen führen, wer an Lebensmitteln verdient. Und verdienen ist hier untertrieben. Es ist Big Business.

Mit UPFs lassen sich in Herstellung, Verarbeitung und Vertrieb enorme Gewinnmargen erwirtschaften.

Diese ungesunde Konzentration von Macht im Lebensmittelbereich hat auch Jennifer Clapp sehr eindrücklich kritisiert, denn sie fängt auf dem Acker an, geht weiter über Saatgut und Pflanzenschutzmittel bis hin, ja zu den Lebensmittelkonzernen. Diese Art und Weise der Monopolisierung der Ernährung ist ein wesentlicher Treiber der Klimakrise.
Wirtschaft versus Gesundheit
Unsere Ernährung beeinflusst signifikant unsere Gesundheit. PUNKT. Dabei geht es nicht nur darum, genügend Energie aufzunehmen und Vitamine, sondern auch darum, wie wir unser Darmmikrobiom beeinflussen. Denn dort wird über unsere Gesundheit entschieden.

Wenn man nun auf Vollkornprodukte verzichtet und überwiegend UPFs zu sich nimmt (was in vielen “modernen” Gesellschaften der Fall ist) führt das zu folgenden Krankheiten:
- Adipositas
- Hypertonie
- Metabolisches Syndrom
- Allergien
- Typ-2 Diabetes
- Kardiovaskuläre Erkrankungen
Und das ist nur die Spitze des Eisberges. Weiter wird diskutiert, ob auch „mental health“ mit dazu gehört und bestimmte Krebsarten. Kurz alles. Und es betrifft häufig Kinder und vermehrt Länder, in denen sich gerade eine Mittelschicht ausbildet. Mit der Ausnahme der USA. Zwinkersmiley.
Dass sich aber in der Lebensmittelverarbeitung ein lukratives Geschäft verbirgt zeigt Nestlé. „Nestlé, der weltgrößte Lebensmittelkonzern, erzielte im Jahr 2022 einen Bruttogewinn von 46 Milliarden Dollar, der sich um fast drei Prozent im Vergleich zum Vorjahr steigerte.“ Den anderen geht es nicht viel schlechter. Wer es genau wissen möchte, folgt diesem link .
Wie erkenne ich UPFs
Das Prozessieren von Lebensmitteln ist an sich keine schlechte Sache. So werden viele Lebensmittel erst durch Kochen bekömmlicher, Mikronährstoffe zugänglicher und die Gefahr durch Parasiten gebannt.
Am Beispiel Getreide, das in Brot verwandelt wird, können wir die verschiedenen Prozessschritte durchspielen.
Nicht verarbeitetes Getreide wäre sozusagen roh vom Stängel gegessen; das Entfernen der Hülle (Spelzen) und das Aufschließen (zB durch Walzen wie bei Haferflocken) ist ein nächster Schritt. Diese Prozesse verändern das Lebensmittel lediglich in der Hinsicht, dass wir es besser verdauen können. Mahle ich nun das Getreide zu Mehl (nächster Schritt) und backe es zu Brot (weiterer Schritt) – hier gebe ich Wasser, Hefe und Salz hinzu und backe es – dann erhalte ich schon ein verarbeitetes Lebensmittel. Dieses gilt aber noch nicht als ultra hoch prozessiert. Denn das wird es erst, wenn es im industriellen Stil hergestellt wird und weitere Stoffe zugesetzt werden (Tabelle 1): Zucker und Aromen für den Geschmack, Farbstoffe für das Aussehen, Emulgatoren und Enzyme für die bessere Verarbeitbarkeit des Teiges und ein „verbessertes“ Backergebnis. Ja, und ganz zuletzt werden dann noch Konservierungsmittel eingesetzt.
Bezeichnung | Zutaten | Verarbeitung | Zusätze | NOVA Score |
Reines Handwerksbrot | Mehl, Wasser, Salz, natürlicher Sauerteig | Manuell, lange Teigruhe, keine Maschinen | keine | 1 |
Handwerk mit Hefe | Mehl, Wasser, Salz, Hefe | Kürzere Ruhezeit, evtl. maschinelle Hilfe | keine | 2 |
Filialbäckerei / Teiglinge | Mehlmischungen, Hefe, evtl. Enzyme | Zentrale Produktion, Aufbacken vor Ort | Enzyme, Backmittel | 3 |
Supermarkt-Brot | Mehl, Hefe, Öl, Zucker, Zusatzstoffe | Hochstandardisiert, maschinell | Konservierungsmittel, Emulgatoren, Feuchthaltemittel | 4 |
UPF-Industriebrot (z. B. Toast) | Mehl, Zucker, Glukosesirup, Öle, Aromastoffe | Voll automatisiert, technische Prozesse | Emulgatoren, Enzyme, Aromen, Konservierungsmittel | 4 |
Tabelle 1: Verschiedene Prozessierungsgrade bei Brot
Enzyme sehe ich dabei als ziemlich kritische Inhaltsstoffe an. Generell ist eine Zunahme von Allergien gegen sogenannte Backenzyme zu beobachten. DSM, einer der größten Hersteller von Lebensmittelzusatzstoffen preist seine Enzyme ganz unverhohlen an: „DSM bietet verschiedene Zutaten wie BakeZyme HS 20.000 BG und BakeZyme FXP 1500 BG zur Verbesserung der Teigverarbeitung an. Diese Enzyme helfen bei der Hydrolyse von Nicht-Stärke-Polysacchariden und verbessern die Gasretention, die Gärungsraten und die Teighandhabungseigenschaften. Darüber hinaus nutzt BakeZyme Go Pure von DSM Glukoseoxidase, um die Dehnbarkeit und Stabilität von Teigen zu erhöhen.”
Dieses Zitat zeigt sehr deutlich, dass diese Stoffe nur zugesetzt werden, um den Teig industriell gut verarbeiten zu können, für die Ernährung sind sie nicht förderlich und für die Gesundheit eher schädlich.

Mein Fazit zu UPFs
Die Herstellung Ultra hoch verarbeiteter Lebensmittel, UPFs aus billigen Rohstoffen und Geschmacksverstärkern zur Gewinnmaximierung der Hersteller ist pervers. Man kann auch sagen UPFs sind die Pervertierung des Lebensmittelhandels auf Kosten der Gesundheit der Menschen. Dabei sind vor allem diejenigen betroffen, die jung sind oder in prekären Verhältnissen leben. Genauso pervers ist, dass unsere PolitikerInnen sich nicht auf die Seite ihrer BürgerInnen stellen, sondern auf die der Konzerne.
Als Konsumentinnen kommen wir nicht umhin, prozessierte Lebensmittel zu verwenden. Das ist auch nicht schlimm, so lange es sich zB um TK Gemüse handelt, Vollkornbrot oder Gewürze. Denn wie die verschiedenen Stufen der NOVA und SIGA Klassifizierung zeigen, gibt es deutliche Abstufungen (Abb. 4).
Der Gesetzgeber könnte hier Klarheit schaffen und eine der beiden Kennzeichnungen verpflichtend machen. Auch über die Besteuerung wäre eine Regulierung möglich. So zB mit der schon lange diskutierten Zuckersteuer. Über die Mehrwertsteuer könnte man gesunde Lebensmittel fördern, indem man sie weg ließe und bei hochverarbeiteten Lebensmitteln könnte man den vollen MwSt Satz anwenden.
Stellen wir also doch mal unser Eßgewohnheiten auf den Prüfstand, nicht nur privat, sondern auch in Kantinen und Mensen. Denn, Essen ist politisch!
Bildnachweis
Titelbild aus elements.envato.com https://elements.envato.com/de/easter-sweet-bread-cutting-a-tsoureki-braid-in-sli-WCW6E7B mit freundlicher Unterstützung von https://liliesnbirds.eu/.