Die Kosten des Nichtstuns
Wir sind angekommen in 2024, dem Jahr EINS nach dem (noch nicht offiziellen) Überschreiten des 1,5-Grad-Zieles. Klimakrise, und jetzt haben wir den Salat! Denn auch das Nichtstun, das Unterlassen ist eine Art Tätigkeit. Nur leider die Falsche. Es passieren jetzt die Dinge, die uns die Wissenschaften schon lange vorhergesagt haben: Gleichzeitig erleben wir Dürren und Überschwemmungen, (Tropen)-Stürme nehmen an Intensität zu, Landschaften werden verwüstet, in den Bergen stürzen Hänge ab, der Wintersport in den Alpen – Geschichte. Arten sterben aus. Jetzt merken es auch die Zweifler – es ist ernst. Und es kostet! GELD!
Darüber spricht irgendwie niemand, also machen wir das mal.
Vom Jahrhunderthochwasser zum Jahrhundert der Hochwasser
Während man 2021 anläßlich des Hochwassers an der Ahr noch von einem in der Art noch nicht dagewesenen Ereignis sprach, die Politik sich versuchte herauszureden, der Katastrophenschutz schlicht ignoriert wurde und die Schäden noch immer nicht reguliert sind, häufen sich in 2024 „noch nie dagewesene“ Ereignisse.
Die Gefahrenkarte Flußgebiete NRW ist wochenlang nicht aufrufbar…. Und wohin man auch blickt – Überschwemmungen. Natürlich werden in den Medien die Schätzungen der Schäden angegeben, in der Politik dagegen tut man so – besonders in der FDP – als ob die Leistungen von Freiwilligen, Ehrenamtlichen in solchen Krisen banal wären. Aufgepaßt Herr Lindner! Deutschlands Freiwillige leisten hochgerechnet die Arbeit zweier Dax-Konzerne.
Klimarisiken global ungleich verteilt
Bisher waren wir in Europa relativ verschont von den „bösen“ Auswirkungen der Klimakrise und vielleicht haben wir deswegen auch zu wenig getan? Und vielleicht hat deswegen auch noch niemand auf die Kosten geschaut? Derweil wird in der Regierung immer wieder über den Haushalt gestritten und notwendige Investitionen in den Klimaschutz herunter gefahren.
Bisher ging man davon aus, dass die Schäden in anderen Ländern deswegen so groß sind, weil die Infrastruktur so schlecht sei. Also in Florida fliegen die schlecht gebauten Holzhäuser weg, in Indien knicken die Strommasten ein. Ja, aber auch bei uns ….
Es wird teuer: Elementarschäden-Versicherungen – habt Ihr neue Tarife?
Um Schäden durch Extremwetterereignisse zu beziffern – manche sagen noch Naturkatastrophen – ist ein Blick in den Versicherungsraum hilfreich.
Und zwar bei der Münchener Rück. Sie beziffern auch die Schäden (weltweit) im Jahr 2022 auf 270 Milliarden USD, umgerechnet fast 250 Milliarden Euro. Das ist also mehr als die Hälfte des Bundeshaushalts 2024. Oder die Summe, die es bräuchte, um die Klimaziele zu erreichen. Jedenfalls noch 2022.
Kurz, die Versicherer wissen also sehr genau, was es uns kostet, so weiter zu machen wie bisher. Und eigentlich müßten sie ihre Tarife drastisch nach oben schrauben. Oder keine Versicherungen mehr anbieten, wie es einige Bauern erfahren haben in dem Hochwasser 2023/24.
Aber das will ja keiner, die Leute verunsichern.
Unternehmensberatungen sehen Beratungsbedarf
An dieser Stelle bin ich mal den vielen old-school Ökonomen dankbar, die eine solide Kosten – Nutzen – Rechnung vorlegen. Und „Investitionskosten“ miteinander vergleichen. Allen voran BCG, die schon vor einigen Jahren die Sparte „Sustainability“ gegründet haben. Nicht aus Menschenliebe, sondern aus klarem Kalkül. Um den Firmen, Wege aufzuzeigen, Werte zu erhalten.
Dafür zeigen sie auch die aktualisierte Karte der verschiedenen Temperaturpfade auf, über die sich jährlich neu beraten wird. Und da müßt ihr sehr aufpassen, wenn ihr im Netz nach Abbildungen sucht. Die meisten sind nicht mehr aktuell.
Die Szenarien für das „Weiter-so“ (also das weiter Nichtstun) werden uns im Jahr 2100 in einen Temperaturkorridor von 2,5-3,9°C führen, die derzeitigen „pledges“ also Absichten nach 2,4°C, die sogenannten optimistischen Net-zero-Szenarien nach 2,1°C, das „2°C Ziel“ nach 2°C und das 1,5°C , das haben wir ja schon gerissen. BCG sagt auch, was nötig wäre, zu tun. Und zwar JETZT: Globale Emissionen um 26% reduzieren für das 2°C Ziel; und um 43% um noch überhaupt irgendwie in die Nähe von 1,5°C zu kommen. Jetzt, sofort und konsequent. Sumit Gupta, der Vortagende, wirkte da nicht sehr optimistisch. Er sieht die Welt derzeit auf einem Pfad nach 2,4°C PLUS. Und man muß kein Prophet sein, um sich auszumalen, was das bedeutet.
“Climate action is no longer just a priority—it is a necessity. To limit global warming to 1.5°C, we must reduce global emissions by 40%. There is nothing more urgent than accelerating the green transition. This is not just a challenge but an opportunity to create new business models centered around sustainability. Every value driver presents immense potential for green transformation and sustainable business practices. However, achieving this requires a fully supportive ecosystem. The future of business is undeniably green, and the time to act is now.” Sumit Gupta,
Folgen der Klimakrise sind Wachstums- und Wohlstandseinbrüche
Außer Folgen für die Erderhitzung, wird die Klimakrise auch drastische Auswirkungen auf unsere Wirtschaft und letztendlich den Wohlstand haben. Außer den Reduktionszielen, die um so drastischer ausfallen müssen, je länger wir nichts tun, werden auch die Schäden durch den Klimawandel immer heftiger ausfallen. In Abb. 3 sind die Schätzungen für die verschiedenen Wirtschaftsräume aufgezeigt.
Ich halte das für sehr optimistische Schätzungen, denn was in keine Rechnung mit einfließt, sind die Kriege und ihre Folgen für die Umwelt. Weiterhing gibt es auch sogenannte Knowledge-Gaps, wie sie der IPCC benennt, deren Auswirkungen wir gar nicht kennen.
In Nature befinden Kotz et al: „Wir stellen fest, dass die Weltwirtschaft unabhängig von künftigen Emissionsentscheidungen eine Einkommensreduzierung von 19 % innerhalb der nächsten 26 Jahre erleben wird.“
Das heißt, jetzt schon werden die kommenden Jahre wirtschaftlich schwierige Zeiten.
Das Ende der Menschlichkeit – die humanitäre Krise
Die Internationale Vereinigung der Rotkreuz- und Rothalbmondgesellschaften (IFRC) ist das größte humanitäre Netzwerk der Welt. 2019 haben sie in ihrer Veröffentlichung „The costs of doing nothing“ dargelegt, wie die Klimakrise auch zu einer humanitären Krise werden wird. Sie schätzen, dass bis 2050 jährlich 200 Millionen Menschen humanitäre Hilfe benötigen werden. Die Kosten dafür werden von 3,5 bis 12 Milliarden USD im Jahr 2019 auf 20 Milliarden im Jahr 2030 ansteigen.
Und jetzt nur mal ein kleines Gedankenexperiment. Die Temperaturen werden steigen, Naturkatastrophen werden Besitz und Ernten vernichten, die Wirtschaftsleistung wird sinken und die Kosten steigen, nicht nur die für die humanitäre Hilfe, sondern alle Kosten. Die Weltwirtschaft wird schrumpfen, Anleger werden Geld verlieren. Das Potsdamer Institut für Klimafolgenforschung schätzt, dass bis zum Jahr 2050 im Schnitt 38 Billionen USD an Schäden durch Naturkatastrophen jährlich entstehen werden!
DAS IST ECHT VIEL GELD! Da kann sogar der reichste Mann der Welt nicht mithalten. Dessen Vermögen wird (10/24) auf ca. 270 bis 274 Milliarden USD geschätzt.
Aber warum tun wir dann nichts?
BCG formuliert es so:
Obwohl Klimaschutzmaßnahmen auf globaler Ebene wirtschaftlich sinnvoll sind, haben drei Haupthindernisse zu einer erheblichen Kluft zwischen Ambitionen und Maßnahmen geführt.
- Die Kosten der Untätigkeit sind noch nicht vollständig bekannt, da es keinen wissenschaftlichen Konsens über die wirtschaftlichen Auswirkungen des Klimawandels gibt und die derzeitigen Schätzungen mit großer Unsicherheit behaftet sind.
- Da die Auswirkungen des Klimawandels ungleichmäßig über den Globus verteilt sind und die Budgets knapp sind, entscheiden Regierungen und Wirtschaftsführer sehr unterschiedlich darüber, wie und wann sie gegen den Klimawandel vorgehen.
- Die angeborene menschliche Neigung, sich auf das Kurzfristige zu konzentrieren, verzögert das Handeln bei langfristigen Herausforderungen.
Im Gegenteil, Unisono singen die Verantwortlichen das Lied vom Wirtschaftswachstum, das „alternativlos“ sei, um die Kosten für die Maßnahmen gegen die Klimakrise zu meistern. Also genau „Weiter-so“, wie es vor 50 Jahren schon als Weg in die Katastrophe beschrieben wurde?
Was hilft?
The time to act is now!
Wie oft wurde das nicht schon gesagt! Jetzt ist die Zeit zu Handeln! Und Gupta formuliert es noch drastischer: „To do everything we can immediately is the only way to reach the 2°C target.” Nur, wenn wir sofort alles tun, was möglich ist, haben wir noch eine Chance das 2°C Ziel zu erreichen.
Die kommende Weltklimakonferenz (COP29) wird vom 11. -24. November in Baku statt finden. Fun Fact (so weit man da noch Witze drüber machen kann) Baku ist die Hauptstadt von Aserbaidschan, dem Land, das die fossile Abhängigkeit Europas unterstützt und fördert.
Wir dürfen uns auf viel mediale Aufmerksamkeit einstellen und ebenso viel Gefasel über das 1,5-Grad-Ziel. Das Reden über das Erreichen dieses Ziel hält Mojib Latif – einer der führenden Klimaforscher – für Realitätsverweigerung.
Passiert ist bisher eher wenig und bei jedem weiteren Extrem-Ereignis, sind wir sehr erschrocken und betroffen. Das wird leider auch so weiter gehen, denn der größte Klimaleugner der Welt ist gerade auf der Gewinnerspur in den USA.
Fazit
Schon jetzt werden uns die Kosten des Nichtstun einholen und die Wirtschaft erheblich bremsen. Der Glaubenssatz dass wir Wirtschaftswachstum brauchen, um etwas gegen den Klimawandel zu tun, wird damit nicht mehr erfüllbar.
Wenn wir also noch etwas reißen wollen, müssen wir uns also als erstes von „Glaubenssätzen“ verabschieden . Weiter wäre es schlau, Kriege zu beenden und wirklich Frieden zu schaffen. Auch müssen wir uns um das Thema Migration kümmern, das sozusagen der Fall-out der Klimakrise ist. Damit es nicht zu Bürgerkriegen und Verteilungskämpfen kommt, brauchen wir einen anderen Gemeinsinn und letztendlich auch ein anderes Verständnis von Wohlstand.
Das Schlagwort dafür ist sozial-ökologischer Wandel.
Bildnachweis
Titelbild aus elements.envato.com https://elements.envato.com/de/huge-stormy-waves-crashing-near-the-city-embankmen-RV4JBRE mit freundlicher Unterstützung von https://liliesnbirds.eu/.