Widerspruch zu Bauer Willis facebook Posting
Liebe LeserInnen, vielleicht kennt Ihr Bauer Willi schon aus unserem Interview vom letzten Jahr. Er ist ein streitbarer Bauer, der für die Interessen der Landwirtschaft eintritt. Seine Follower kommen aus allen Bereichen, der Industrie genauso wie aus der Nachbarschaft. Vielen spricht er aus der Seele und in vielen Punkten trifft er auch den Nerv. Im Moment schlagen die Wogen hoch bei dem Thema Getreide und ob es in Zeiten der Knappheit weiter an Tiere verfüttert werden sollte. Und ob Tiere überhaupt so viel Getreide brauchen. In dieser Gemengelage der Meinung und Gegenmeinung treffen die FAO, eine Organisation der UN, VeganerInnen und PolitikerInnen aufeinander. Das macht es nicht einfach, die relevanten Aussagen aus den Veröffentlichungen herauszufiltern.
Lieber Willi,
ich finde es wirklich schade, dass Du Deine Reichweite nutzt, um weiterhin Lobby-Meinungen zu bedienen und Falschmeldungen zu verbreiten. Ich beziehe mich auf Dein Facebook Posting vom 28.04. 2022. Denn die Lage ist wirklich ernst und platte Polemik wird ihr bei Weitem nicht gerecht.
Aber der Reihe nach:
Die FAO und ihre Verflechtungen – Lobbyismus?
Du sagst, die FAO wäre „unabhängig“, in Deinen Worten „die sollte es wissen“. Deswegen habe ich mir den FAO Artikel, den Du in Deinem Artikel verlinkt hast mal angesehen. Er ist von 2017 und bezieht sich auf Daten einer früheren Studie – auch von der FAO, die nicht verlinkt ist. Ich habe ihn trotzdem gefunden https://www.sciencedirect.com/science/article/abs/pii/S2211912416300013 , das hättest Du übrigens auch können. Die AutorenInnen dieses Artikels sind Anne Mottet, die offenbar auch Autorin des zitierten Postings des FAO ist, Caas den Haan, der als unabhängiger Berater geführt wird. Er hat aber schon früher mit Frau Mottet Beiträge zur Verbesserung der Viehhaltung in Afrika veröffentlicht und Pierre Gerber, der zusätzlich zur FAO auch in der „Animal Production Systems Group“ in Wageningen (NL) tätig ist. Die Wege von Frau Mottet führen nach Frankreich zum Institut d’Elevage einer gemeinnützigen Organisation, die ihre Aufgabe darin sieht „die Wettbewerbsfähigkeit von Weideviehbetrieben und deren Wertschöpfungsketten zu verbessern“. Herrn de Haans Spuren führen ebenfalls nach Frankreich zu CIRAD, die sich der nachhaltigen Entwicklung in tropischen und mediterranen Regionen verpflichtet fühlen. Pierre Gerber hat früher bei der FAO gearbeitet und war der Vorgänger von Frau Mottet, jetzt arbeitet er sowohl für die Welt Bank in Washington DC als auch als Professor an dem o.g. Institut in NL. Drei weitere AutroInnen habe ich jetzt nicht näher betrachtet, sie sind auch von der FAO. Kurz, der Artikel ist von ÖkonomInnen verfaßt, nicht von LandwirtInnen oder KlimaforscherInnen. Und kommt aus einer Gruppe von Leuten, die schon viel zusammen gearbeitet haben. Will sagen, es ist keine Disziplinen oder Arbeitsgruppen überscheidende Arbeit.
Weidetiere, Vieh und Getreide
In der Zusammenfassung sagen sie explizit, dass es ihnen darum geht die Rolle der Wiederkäuer zu betrachten, die als schlechte Verwerter von „feed to food“ angesehen werden. (Anmerkung, das sind sie ja auch https://albert-schweitzer-stiftung.de/aktuell/1-kg-rindfleisch sie brauchen am meisten Futter für die Erzeugung 1kg Fleisches). Sie betrachten also die verschiedenen Arten von Futter, die Weidetiere weltweit zu sich nehmen.
In der Betrachtung geht es also klar um Lobbyinteressen, nämlich der WeideterhalterInnen. Das sieht erklärt sich auch, wenn man schaut, aus welchem Umfeld die AutorInnen kommen. Und das widerspricht dann Deiner Aussage, die FAO müßte es ja wissen. Zumindest in diesem Artikel ist sie nicht unabhängig. Ich möchte Dir aber eine weitere Veröffentlichung der FAO nicht vorenthalten (ist noch nicht in Top Agrar betrachtet) und das ist die Entwicklung des Getreidemarktes.
Aber zurück zu den Aussagen, die zu dem Artikel ja so prominent gepostet werden. Spoiler: Die AutorInnen gehen mit ihren Aussagen differenzierter um.
Zahlen, Grafik, Text – alles wild gemischt
Ja, in der Manager-Summary (also für die, die nicht weiter lesen) steht „86% of the global livestock feed intake in dry matter consists of feed materials that are not currently edible for humans”, was die FAO selber zitiert und so verbreitet. Aber cave! Schaut man sich die Grafik dazu an, wird ersichtlich, dass es sich hier überwiegend um Gras und Blätter handelt. Wen wundert‘s, denn es werden Weidetiere betrachtet. Und nicht der gesamte Tierbestand. Zusätzlich merken die AutorInnen an, dass nur in den OECD Ländern in der Massentierhaltung Getreide und Soja wichtige Futtermittel sind. Sie untersuchen aber alle Haltungsformen. Das sind wichtige Unterschiede.
Weiter “korrrigieren” die AutorInnen den Futterverbrauch pro erzeugtes kg Fleisch: “Contrary to commonly cited figures, 1 kg of meat requires 2.8 kg of human-edible feed for ruminants and 3.2 for monogastrics”. Dabei setzten sie ihn auch noch in Relation zu dem für Menschen verwertbaren Nahrungsmitteln. Dabei machen sie in ihrem Artikel einige Volten vor und zurück, nehmen mal nur die Wiederkäuer ins Visier, referenzieren dann wieder auf alle Tiere. Und kommen dann auf die „korrigierten“ Werte. Ist echt schwer zu lesen….
In dem dritten Punkt für Manager sollten aber alle hellhörg werden, denn sie sagen:
Also Willi, Deine Verallgemeinerung, die Du möglicherweise so von Top-Agrar übernommen hast, ist so nicht richtig. Die AutorInnen versuchen immerhin ein differenziertes Bild zu zeichnen. Vergleicht man nun die Aussagen, zeigt sich hier eine eklatante Diskrepanz. Die FAO spricht in dem von Dir verlinkten Posting von 13% Getreide, das für Tiere verwendet wird, die AutorInnen des Artikels von über 30%. Ich will der FAO an dieser Stelle keine Datenmanipulation unterstellen, aber sie zitieren falsch. (Top Agrar stellte das übrigens später richtig) Und es kann da schon mal zur Verwirrung kommen, denn die AutorInnen springen auch viel zwischen Weidetieren und allen landwirtschaftlich genutzten Tieren hin und her.
Doch zu meinem Eingangsstatement. Es hilft niemandem, wenn durch Postings die Leute gegeneinander aufgebracht werden. Vielleicht hast Du die Wetternachrichten der ESA gesehen und von der Hitzewelle von über 65°C in Indien gelesen? Da verbrennt die Ernte auf dem Acker. Vielleicht hast Du auch von der Dürre am Horn von Afrika gehört? Da verhungern die Weidetiere. Wir alle sind in der Verantwortung.
Der Bericht vom IPCC ist verheerend. Wenn wir auf diesem Planeten überleben wollen, müssen wir alles ändern – auch unsere Kommunikation.
LG Ghita
Weiterführende links
https://www.wri.org/insights/global-food-challenge-explained-18-graphics
https://www.boell.de/de/fleischatlas
https://www.wwf.de/fileadmin/user_upload/WWF_Fleischkonsum_web.pdf
https://wurstend.net/magazin/aktuell/fleisch-atlas-2021/