Extreme Rechte – Narrative erkennen
… und wie sich in Deutschland die Konservativen diesen annähern und wie wir damit in der Praxis umgehen können.
Friedrich Merz lehnt sich zurück, wie immer leicht überlegen und fast schon beleidigt vom Weltuntergang, und sagt: „Zum Teil richtig. Aber sicherlich nicht ausschließlich.“
Und während er das sagt, läuft auf meinem inneren Bildschirm ein Countdown. Denn was Merz da tut, ist nicht bloß fahrlässig. Es ist Brandbeschleunigung mit Anzugnadel. Er relativiert. Verwässert. Entzieht dem Klimawandel seine Eindeutigkeit – und damit jede Dringlichkeit.
Als wäre es gerade ein bisschen zu heiß, weil der Juli dieses Jahr besonders ambitioniert ist.“
Aus dem Facebook Posting von Christina Christiansen vom 2.7.2025
Wir erleben derzeit eine Klima-Katastrohe nach der nächsten und sitzen nur achselzuckend dabei? Es geht nicht mehr nur darum, endlich aufzuwachen und zu handeln. Wir müssen zusätzlich erkennen, wer uns sprichwörtlich Sand in die Augen streut. Und das passiert mit rechtsextremen Narrativen und Diskursen, die seit Jahrzehnten systematisch in Berichterstattungen und Diskussionen – übrigens nicht nur zum Klimawandel – mit einfließen. Sie haben nur ein Ziel: Das wirksame Handeln zur Eindämmung der Klimakrise zu behindern oder mindestens zu verzögern. Mit Erfolg.
In diesem Beitrag möchte ich die Methoden der systematischen Klimablockade, die Typen der Obstruktion, die wichtigsten Narrative zur Delegitimierung berechtigter transformatorischer Ansätze, typische Diskurse zur Verzögerung und Beispiele aus dem Alltag mit einbringen. Und es gibt Lösungsansätze! Und ja, es gibt aber auch next level Desinformation.
Inhaltsverzeichnis
Die drei Typen der Climate Obstruction
Nach einschlägiger wissenschaftlicher Meinung besteht zunächst ein gewisses Rahmengebilde, in dem sich derartige Narrative abspielen. Diese lassen sich unter dem Schlagwort „climate obstruction“ (Klimablockade) zusammenfassen. Dabei handelt es sich um primäre, sekundäre und tertiäre Blockaden. Die erste ist die Leugnung (Denial) der wissenschaftlichen Beweise für den vom Menschen verursachten Klimawandel und seiner politischen Folgen. Zweitens die (stillschweigende) Anerkennung der wissenschaftlichen Beweise bei gleichzeitiger Verzögerung sinnvoller Klimaschutzmaßnahmen (Delay). Und drittens all jenen Praktiken, mit denen oft wohlmeinende Einzelpersonen und Gruppen (unbeabsichtigt) sowie infrastrukturelle Lock-ins Klimaschutzmaßnahmen behindern (Inaction).

1. Leugnung des Klimawandels als vom Menschen verursacht.
2. Versuch, die Klimapolitik durch Akteure zu schwächen, die die Existenz des Klimawandels nicht explizit anzweifeln, aber effektive Klimaschutzmaßnahmen oder Gesetze behindern.
3. Alltägliche Praktiken und ideologischen Orientierungen von Individuen, die nicht in Übereinstimmung mit den Notwendigkeiten des Klimaschutzes handeln.
Mittels dieser drei Typen lassen sich Aussagen und Aktionen sicher zuordnen. Zum Beispiel die von Merz eingangs zitierte Aussage fällt unter Typ1: Denial = Leugnung
Folgende Einordnung von typischen Narrativen lassen sich vornehmen:

Die Big Five – Narrative der Extremen Rechten
Rechtspopulistische Diskurse behindern oft gezielt Maßnahmen gegen den Klimawandel, indem sie Narrative verbreiten, die auf Emotionen, Misstrauen und gesellschaftliche Spaltung setzen. Am Gebäude Energiegesetzt deklinieren Haas et al durch, welche Narrative in Stellung gebracht wurden, um das Gesetz abzulehnen.
1. Enteignung:
Als Narrativ wird gerne genommen: „Der Staat will uns alles weg nehmen!“
Beispiele dafür sind da o.a. Gebäudeenergiegesetzt „Zwangsenteignung der Eigenheimbesitzer“, Tempolimits oder Auto freie Städte, die die „individuelle Entscheidung“ weg nehmen wollen, klimabedingte Flächenstilllegungen in der Landwirtschaft. Gipfeln tut das Ganze dann in solchen Aussagen wie von Alice Weidel: „Ich lasse mir von denen nicht mein Schnitzel weg nehmen!“
Diffuser und schwieriger zu verorten sind die Ängste der Enteignung, die Ältere betreffen, wie zB die Frau unseres Professors, die lange als Schulleiterin gearbeitet hat und jetzt mit Mitte 80 bei einer Transformation befürchtet, dass „ihnen alles, was sie nach dem Krieg aufgebaut haben, weggenommen wird.“
2. Entrechtung:
Hier wird gerne davon gesprochen: „Bürger verlieren ihre Rechte – alles für den Klimaschutz!“
So werden Klimademos oder Klimaaktivisten wie zB die Letzte Generation nicht als Protestierende sondern als Klima-Terroristen bezeichnet mit der entsprechenden Forderung nach Haftstrafen, Berufsverboten oder Entzug der Grundrechte. Diskussionen über CO₂-Steuern oder Emissionshandelssysteme werden als „neue Form der Klassenjustiz“ oder „Abkassieren des kleinen Mannes“ inszeniert, und dann behauptet, dass die Klimamaßnahmen die Rechte der „normalen“ Bevölkerung einschränken, während die (grüne) Elite weiter fliegen darf.
Als Beispiel mag eine Diskussion in der Kommunalpolitik (MH adR) dienen, in der der Abgeordnete Peter Beitz, FDP, bei der Festlegung der Antriebsarten des Städtischen Fuhrparks vom „Bürgerbevormundungsgesetz“ sprach.
3. Ideologie getrieben:
Das Narrativ klingt so: „Das ist keine Wissenschaft, das ist linke Ideologie!“
Insgesamt werden Maßnahmen zum Klimaschutz als „links“ und damit per se als „fortschrittsfeindlich“ und den „Wohlstand gefährdend“ angesehen. Deswegen werden Begriffe bemüht, die die Wissenschaft delegitimieren sollen wie „Klimahysterie“, „Klimasekte“, „grünes Wunschdenken“. Das 1,5°C Ziel oder Klimamodelle gelten als ideologisch und unrealistisch, gipfeln tut es in den Begriffen „Sozialismus, „Planwirtschaft“ oder gleich „DDR 2.0“.
Besonders Markus Söder tut sich immer wieder mit ideologisch motivierten Aussagen hervor, wie zB, dass er als „Food-Blogger“ Schnitzel verspeist, oder im Wahlkampf davon redet die „Tofu-Tümelei“ zu beenden, auch auf Facebook fordert er Innovation statt Ideologie.
4. Grüne Vetternwirtschaft/Elitenbildung
Das Narrativ ist eigentlich eine Behauptung: „Die Grünen und ihre Freunde bereichern sich am Klimaschutz!“
Führende (grüne) Politikerinnen werden als Teil einer globalistischen Klimakaste stilisiert, Förderprogramme sollen sie als Goldgruben nutzen und aus einzelnen Skandalen wird gleich systematische Korruption.
Auch hier tut sich der bayerische Ministerpräsident hervor, er prangert „Grüne Korruption“ an und wird dabei tatkräftig von BILD unterstützt.
5. Jeder muß gehört werden, also auch diejenigen, die dagegen sind.
Das Narrativ ist tief in der extremen Rechten Szene verankert: „Man darf ja wohl noch sagen dürfen…“
Mit dem Vorwurf (oder aus Sorge) , die Meinungsfreiheit zu untergraben oder Cancel Culture zu betreiben, werden die Medien aufgefordert „Klimaskeptiker“ oder „alternative Meinungen“ in Talkshows oder öffentlichen Auftritten gleichberechtigt zu Wort kommen zu lassen – auch wenn sie wissenschaftlich widerlegt sind.
„Die Wahrheit liegt verdammt noch mal nicht in der Mitte“ sagt Dirk Steffens, Journalist und kritisiert, dass viel zu lange abgedrehten Klimawandelskeptikern zugehört wurde.
Die „Discourses of Delay“ – die Kunst der Verzögerung
Bei wurstend befassen wir uns schwerpunktmäßig mit dem Klimawandel und all dem, was daraus folgt. Wir werden in unseren jeweiligen Umfeldern auch immer in die gleiche Diskussion verstrickt, die von den Verfasserinnen des Buches Climate Obstruction als „dicurses of delay“ benannt werden. Hier zeigen wird die wichtigsten und mögliche Antworten darauf.
Deligimitization of Truth – die Wahrheit stirbt zuerst
Die Delegitimierung der Wahrheit ist der gezielte Versuch, faktenbasierte Realität zu untergraben, indem wissenschaftlich belegte Erkenntnisse, journalistische Standards oder demokratische Verfahren systematisch infrage gestellt oder lächerlich gemacht werden. Dass man mit Lüge weit kommen kann, beweist gerade der amtierende Präsident der Vereinigten Staaten. Und auch hierzulande hat Friedrich Merz seine Kanzlerschaft mit einer Lüge begonnen. So hat er im Wahlkampf behauptet, Deutschland müsse gar keine neuen Schulden aufnehmen, um genau das noch vor Beginn seiner Legislatur zu tun.
Doch es geht tiefer: „Postfaktizität” beschreibt Situationen, in der objektive Fakten in der öffentlichen Meinung und politischen Debatte an Bedeutung verlieren, während Emotionen und persönliche Überzeugungen stärker gewichtet werden. Damit einher geht der Autoritätsverlust der Wissenschaften. So warf der ehemalige Berater von Präsident Obama Steven Koonin, dem IPCC unsaubere Kommunikation und Alarmismus hinsichtlich der Bewertung der Klimadaten vor. Was natürlich nicht stimmt…
Aber was passiert eigentlich mit uns, wenn wir an der Objektivität der Wissenschaften zweifeln? Welchen Autoritäten glauben wir dann?
Und was, wenn Lügner öffentlich nicht als solche benannt werden dürfen? In unserem Parlament erteilt Frau Klöckner Herrn Pansitano (die Linke) einen Ordnungsruf, weil er die Äußerung eines AFD Abgeordneten als Lüge tituliert hat. Frau Klöckner bedient hier die rechtsextremistische Verwechslung von Fakten und Meinungen.
Rechtspopulismus und die Verzerrung der Wirklichkeit
Populismus teilt die Gesellschaft in zwei antagonistische Gruppen: „das reine Volk“ und die „korrupte Elite“. In liberalen Demokratien beobachten wir seit mehr als 10 Jahren immer stärker werdende populistische Tendenzen. Grundsätzlich muss das erst einmal nicht schlimm sein, denn Populismus kann auch als Korrektiv wirken.
Positiv | Negativ |
Gibt Gruppen eine Stimme, die sich nicht repräsentiert fühlen | Kann die „Mehrheitsmeinung“ nutzen, um Minoritäten zu umgehen |
Kann ausgeschlossene Gruppen mobilisieren | Kann „Souveränität“ nutzen, um Institutionen zum Schutz der Grundrechte zu erodieren |
Kann die Reaktionsfähigkeit des politischen Systems verbessern, um Randgruppen mit einzu-beziehen | Kann zu Brüchen führen, die zu neuen politischen Koalitionen führen kann |
Kann politische Verantwortlichkeiten verbessern | Kann zur Polarisierung der Politik beitragen, was dazu führen kann, dass Einigungen nur extrem schwer erzielt werden können |
In Deutschland sind es schon lange nicht mehr die Anhängerinnen der AFD und die AFD selbst, die rechtsextremen Populismus betreiben. Auch die CDU macht sich rechtspopulistische Ansichten zu eigen.

Die Mercator-Stiftung beschäftigt sich seit vielen Jahren mit dem Phänomen Populismus und kommt zu einer eher negativen Einschätzung: „Populismus beutet Ängste und Besorgnisse aus, die aus dem tatsächlichen oder vermeintlichen Verlust der Kontrolle und Steuerung von Migrationsbewegungen erwachsen. Politisches Entscheidungs- und Darstellungshandeln muss deshalb die Deutungshoheit über die Migrations- und Integrationsfragen, da, wo sie verloren gegangen ist, wiedererlangen.“
Beispiele: Politische Äußerungen mit Geschmäckle
Im „richtigen Leben“ werden wir permanent mit rechtsextremen Diskursen konfrontiert, meistens so ganz nebenbei, im Nebensatz sozusagen. Deswegen wollen wir mal wie in einer Deutschstunde Aussagen von führenden Politikerinnen analysieren auf ihren Gehalt an Populismus, Obstruktion und Desinformation.


Quelle: tagesschau.de (Interview zu Klimaschutzgesetz), 12.04.2024

Im Alltag verstecken sich Diskurse und Narrative gerne in Einwänden, wie „ja, aber…“, der Forderung nach „grünem“ Atomstrom oder anderen Absurditäten.
Strohmannkampagnen – Astroturfing – Angriffe auf die Aktivisten
Astroturfing nennt man die betrügerische Praxis, die Sponsoren einer orchestrierten Botschaft oder Organisation (z. B. in den Bereichen Politik, Wirtschaft, Werbung, Religion oder Öffentlichkeitsarbeit) zu verbergen, um den Anschein zu erwecken, dass sie von unaufgeforderten Teilnehmern aus der Bevölkerung stammt und unterstützt wird. Es handelt sich um eine Praxis, die den Aussagen oder Organisationen Glaubwürdigkeit verleihen soll, indem Informationen über die finanziellen Hintermänner der Quelle zurückgehalten werden.
Darunter fallen:
- Einschüchterung und Verunglimpfung von Kritikern und Klimaaktivisten
- Angriffe und Untergrabung der seriösen Wissenschaft
- Framing und Reframing der Diskussionen und Debatten
- Einsatz von Tarngruppen und Tarnaktionen
- Lobbyarbeit und Beeinflussung des politischen Prozesses
- Entwicklung von Alternativen zur Politik aus den Unternehmen heraus
- Einsatz von „Social corporate responsibility“ (sozialen Verantwortung von Unternehmen) und Partnerschaften
- Regulierung und Vermeidung von Politik
Diese Praktiken werden auf der Englisch sprachigen Seite Commons Library intensiv beschrieben.
Astroturfing impliziert, dass hinter der fraglichen Aktivität keine „echten“ oder „natürlichen“ Bemühungen der Basis stehen, sondern ein ‚falscher‘ oder „künstlicher“ Anschein von Unterstützung besteht. Als Beispiel kann die Gründung der ITD Initiative Transparente Demokratie dienen, die genau deswegen von lobbypedia kritisiert wird. Diese Art der Desinformation wird zunehmend ein Problem in den sozialen Medien, im elektronischen Handel und in der Politik. Denn durch das Fluten von Blogs, Nachrichtenseiten und Bewertungswebseiten mit manipulierten Inhalten wird die öffentliche Meinung beeinflusst.
Fazit und Aufruf!
„Wenn Aktivisten diesen mächtigen Kräften die Stirn bieten wollen, ist es wichtig, ihre Strategien und Taktiken zu verstehen.“
Dis Diskursverschiebung (extrem) rechter Parteien setzt nicht erst im Wahlkampf an, sondern beginnt lange davor. Die ziemlich offensichtliche Leugnung des Klimawandels als Menschen gemacht bemüht heute kaum noch jemand. Es geht ja auch anders; nämlich linke und progressive Parteien als „Chaoten“ zu bezeichnen, die mit ihren Vorhaben alle ins Verderben stürzen. Das verfängt besonders gut bei einer veränderungsaversen Gesellschaft wie der unseren.
Die extreme Rechte ist sehr erfolgreich damit, Personen in Entscheiderpositionen zB dem EU Parlament zu bringen, die dann verlässlich und konsequent Gesetzesvorhaben, die zB im Zuge des Green Deals auf den Weg gebracht werden sollen, boykottieren. Hier haben sich besonders die Christdemokraten unter der Führung von Manfred Weber hervorgetan, als es um die Verzögerung des European Restoration Laws ging.
Wichtig ist auch, dass sich die Position der „bürgerlichen Mitte“ insgesamt nach rechts verschiebt. Sehr anschaulich wird dies in der Sendung „Die Anstalt“ vom 11.2.25 dargestellt, ab Minute 16. Diese Diskursionsverschiebung wird durch die AFD befördert, deren Ziel es ist, das unsagbare sagbar zu machen.
In der Zwischenzeit holt uns die physikalische Realität ein mit Hitzewellen, die immer früher im Jahr statt finden. Ein umfassendes politisches Handeln ist gefordert. Klimaschutz und Klimaanpassungsmaßnahmen müssen zur „Chefsache“ werden. Geld ist theoretisch auch da, ob aber schwarz-rot das tatsächlich in die Kommunen fließen läßt, wo Hitzeschutzpläne umgesetzt werden müssen, der ÖPNV auf Vordermann gebracht werden muss und auch ein sozialer Ausgleich erfolgen sollte, ist fraglich. Denn die „Konservativen“ bedienen sich mittlerweile fast durchgängig rechtsextremer Rhetorik und handeln entsprechend.
Ganz harmlos kommt daher auch die Forderung daher, zunächst müsse die Wirtschaft wieder brummen, dann wäre auch Geld da für die Bekämpfung der Klimakrise. Also ein Weiter-so (Zementierung des Status-Quo) um dann Geld zu haben, um den Status-Quo zu beenden?
„Aus dem Gedanken erwächst das Wort.
Buddha
Aus dem Wort entsteht die Tat.
Aus der Tat entwickelt sich die Gewohnheit
Aus der Gewohnheit wird ein Charakterzug.“
Wie müssen uns klar machen, dass jemand, der sich rechtsextremistischer Narrative bedient, auch so denkt. Nämlich rechtsextrem. Und wir sollte das denjenigen auch zurückspiegeln. Denn manche sprechen einfach nur nach. Auch deswegen ist es wichtig, positive Narrative zur Bewältigung der Klimakrise zu prägen und zu verbreiten.
Bildnachweis
Titelbild zusammengestellt aus Material von envato elements https://elements.envato.com/revolution-raising-the-flag-E3GUAGB mit freundlicher Unterstützung von https://liliesnbirds.eu/
Weiterführende Links
https://www.nf-farn.de/extreme-rechte-menschenfeindlichkeit-umweltbildunghttps://www.idz-jena.de/wsddet/wsd11-07