Unsere Erde im Anthropozän
Die neue Erd-Kunde
Interessanter Podcast von SWR2 Wissen – W wie Wissen: Bis ins 20. Jahrhundert steuerte sich die Erde weitgehend selbst. Der Einfluss des Menschen ist seitdem so mächtig geworden, dass er in die Natur eingreift und sie in die Knie zwingt: Er lässt Gletscher schmelzen, rottet Tiere und Pflanzen aus, überschüttet die Erde mit Müll, die Meere mit Plastik, greift ein in biologische und geochemische Abläufe. Geologen sagen, ein neues Zeitalter in der Erdgeschichte habe begonnen: das Anthropozän – die Phase, in welcher der Mensch selbst zu einer Naturgewalt geworden ist. Der Instagram-Beitrag fasst dies anschaulich illustriert zusammen.
Es kommt in dieser Zeit immer öfter vor, dass wir in der #wurstend-Redaktion auf spannende Themen stoßen, die nicht nur neu oder aktuell, sondern schon lange bekannt, aber lange verschüttet sind. In Zeiten der Diskussionen um den Klimawandel und der Suche nach Lösungen werden ab und zu solche verschütteten Erkenntnisse an die Oberfläche katapultiert.
Geologie – die graue Erd-Kunde
Über den folgenden Link geht’s zur Podcast-Folge von SWR2:
In dieser Podcastfolge von “W-wie Wissen” geht es um eine spannende akademische Debatte. Soll Geologie die als Naturwissenschaft das „Anthropozän“ Erdzeitalter und Ablöse des derzeitigen Holozän einführen oder nicht? Hätte das Auswirkungen auf eine breite Öffentlichkeit über den Wissenschaftsbetrieb hinaus? Was sich hier spröde anhört, ist so spannend wie eine Höhlenwanderung durch unerforschtes Gebiet. Die Illustrationen zum Podcast sind von Britta Wagner
Akzeptanz unseres Erden-Daseins
Mit der Einführung des Begriffes des „Anthropozän“ erhofft sich Marcia Bjornerud, Professorin für Geo- und Umweltwissenschaften an der Lawrence University Apleton, Wisconsin mehr Wertschätzung in der breiten Öffentlichkeit für die Geowissenschaften. Während die Raumfahrt immer wieder wahre Höhenflüge an medialem Interesse auslöst, agiert die Geologie als Gegenpol buchstäblich im Dunkeln. Was für die Umwelt äußerst schlecht ist. Denn – O-Ton Marcia Bjornerud:
Zitat: Marcia Bjornerud, SWR2 Wissen
„… wir sind getrennt von dem Ort, an dem wir alle unser ganzes Leben verbringen werden. Wir haben kein Gefühl der Zugehörigkeit. <…> Dabei sind wir ‚Erdlinge‘. … Das ist unser natürliches Habitat.“
Daher ist es wichtig, dass wir diese Erde, an die wir nun mal gebunden sind, auch wissenschaftlich besser kennenlernen und mit unserem irdischen Platz Frieden zu schließen. Dazu gehört auch das Bewusstein für die gesamte geologische Zeit seit Bestehen der Erde. Die Wissenschaftlerin beschreibt dies als „Tiefenzeit“. Dieses wissenschaftlich definierte Zeitbewusstsein hat Bjornerud auch in ihrem Buch 2018 beschrieben: „Timefulness – How Thinking Like a Geologist Can Help Save The World“. In Deutschland erschienen unter dem Titel „Zeitbewusstheit – Geologisches Denken und wie es helfen könnte, die Welt zu retten“
Bloß keine Angst vor schweren Brocken. Auch nicht vor steintrockener Materie – im Gegenteil. Bei der Schreiberin dieses Artikels wie auch bei den Rezensent*innen wurde das Buch durchweg gelobt als „Laiengehirn-tauglich“. Ulf von Rauchhaupt von der FAZ, findet Geologie sexy, seit Marcia Bjornerud ihr Buch veröffentlicht hat. Quelle
Erd-Geschichte versus digitales Story-Telling
Im Podcast kommen auch deutsche Geolog*innen und Geisteswissenschaftler*innen zu Wort. Sie setzen sich ebenfalls mit der Frage auseinander, inwieweit Geologie ein neues Zeitbewusstsein für so große und langfristige Prozesse wie die Erdgeschichte bewirken kann. Zumal wir durch die Digitalisierung unsere Zeit in immer kleinere Einheiten fragmentieren, was auch unser Denken und Handeln bestimmt: Schnelle Reagieren, zügiges Handeln, immer schnellere politische und wirtschaftliche Entscheidungen und immer mehr schrumpfende Spannen der Aufmerksamkeit.
Quintessenz für die Erdforschung
Geologen weltweit sehen im Klimawandel ihr Fach in einer besonderen Verantwortung. Sie haben das Erdsystem ganzheitlich im Blick und sollten sich stark machen, als eine Art Anwälte für unseren Planeten Erde anzutreten. Selbstverständlich auch mit einer handlungsorientierten und „lauteren“ Öffentlichkeitsarbeit als bisher. Dazu braucht es Maßnahmen, die Menschen – insbesondere aus Politik, Wirtschaft, Bildung und Forschung – zu bewegen, eine viel stärkere terrestrische Verantwortung zu entwickeln. Dazu gibt es mittlerweile auch einen ganzen Maßnahmenkatalog, der weit über eine neue Aufklärungs-Bewegung hinausgeht. Damit ein neues Mindset von uns als “Erdlingen” entstehen kann, muss schon früh angesetzt werden – am besten von Kindesbeinen an. Das komplette Bildungssystem ist zu reformieren. Da der Klimawandel ein komplexes gesellschaftliches, wirtschaftliches, politisches sowie auch ein kulturelles ists, braucht es viel unterschiedliche Strategien. Das bedeutet auch eine Reform des Rechtssystems. In Neuseeland wurden beispielsweise einem Fluss der Maori Bürgerrechte eingeräumt. Dies könnte eine mögliche Strategie sein, Natur oder sogar auch Tieren mehr Wertschätzung einzuräumen. Die Überlegungen gehen noch weiter: steuerliche Maßnahmen, grüne Geldanlagen bis hin zur Etablierung eines Zukunftsministeriums. Letzteres könnte in allen gesellschaftlichen Belangen wichtige Prioritäten setzen. ABER: Haben wir dazu noch genügend Zeit?
Unser Zukunftsappell für die Erde
“Wenn der Mensch so mächtig ist, das Leben auf dem Planeten zu zerstören, dann kann er im Umkehrschluss noch vieles tun, um unseren Lebensraum auch wieder zu heilen: Erde gut, alles gut.”
Credo: Wurstend-Redaktion
Unsere Credits
Mehr zu Britta Wagner auf ihrer Website und ihrem Instagram-Account
Ihre Illustrationen erscheinen regelmäßig auf der Podcastseite von W wie Wissen: https://www.instagram.com/wwiewissen/.